BGH: Kinderlärm aus Nachbarwohnung muss nicht in jeglicher Form, Dauer und Intensität von Mitmietern hingenommen werden

Zwar ist üblicher Kinderlärm aus einer Nachbarwohnung von Mitmietern als sozialüblich hinzunehmen. Dies bedeutet aber nicht, dass Kinderlärm in jeglicher Form, Dauer und Intensität geduldet werden muss. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Mieterin einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in Berlin-Tiergarten beschwerte sich über erheblichen Kinderlärm aus der Wohnung über ihr. Sie führte mit Hilfe eines Lärmprotokolls an, dass es fast täglich, auch an Sonn- und Feiertagen sowie zu Ruhezeiten, zu massiven Lärmstörungen durch heftiges Stampfen, Springen, Poltern und durch Schreie und sonstige lautstarke und aggressive familiäre Auseinandersetzungen kam. Die Störungen traten insbesondere zwischen 6 und 8 Uhr sowie 17 und 20 Uhr auf. Die Mieterin klagte aufgrund dessen gegen die Vermieterin auf Beseitigung der Lärmstörung und auf Feststellung eines Mietminderungsrechts in Höhe von 50 %.

Amtsgericht und Landgericht wiesen Klage ab Sowohl das Amtsgericht Berlin-Mitte als auch das Landgericht Berlin wiesen die Klage ab. Nach Ansicht des Landgerichts sei der geschilderte Kinderlärm als sozialüblich hinzunehmen. Der Mieter einer Wohnung in einem Haus für Familien mit Kindern müsse ein höheres Maß an Geräuschtoleranz dulden als Mieter extrem teurer oder als seniorengerecht angebotener Wohnungen. Da das Landgericht die Revision nicht zuließ, legte die Mieterin Nichtzulassungsbeschwerde ein.

Bundesgerichtshof bejaht Duldungspflicht bei üblichem Kinderlärm Der Bundesgerichtshof entschied zu Gunsten der Mieterin und hob daher die Entscheidung des Landgerichts auf. Zwar müsse in einem Mehrfamilienhaus üblicher Kinderlärm grundsätzlich als sozialüblich hingenommen werden. Ein Mietmangel im Sinne von § 536 BGB liege in einem solchen Fall nicht vor.

Keine Duldungspflicht für jegliche Form, Dauer und Intensität von Kinderlärm Jedoch müsse Kinderlärm aus Nachbarwohnungen nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht in jeglicher Form, Dauer und Intensität von Mitmietern hingenommen werden. Vielmehr seien auch auf die Belange und das Ruhebedürfnis der Nachbarn Rücksicht zu nehmen. Dies habe das Landgericht nicht berücksichtigt. Es habe wesentliches Vorbringen der Mieterin zu Art, Intensität, Frequenz und Dauer der auf ihre Wohnung einwirkenden Geräusche und Erschütterungen übergangen. Der Fall sei daher zur Neuverhandlung an das Landgericht zurückzuweisen.

  • Vorinstanz:
    • Amtsgericht Berlin-TiergartenUrteil[Aktenzeichen: 5 C 213/15]
    • Landgericht BerlinUrteil[Aktenzeichen: 67 S 41/16]

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Bundesgerichtshof
  • Entscheidungsart:Beschluss
  • Datum:22.08.2017
  • Aktenzeichen:VIII ZR 226/16

Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)