Rundfunkbeiträge: Drittelbeitrag für Schwerbehinderte verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden

Die Berufung eines schwerbehinderten Klägers gegen das vorinstanzliche Urteil, mit dem dessen Klage gegen seine Heranziehung zu Rundfunkbeiträgen durch den Südwestrundfunk abgewiesen worden war, wurde nunmehr zurückgewiesen. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in seiner Entscheidung bekanntgegeben.

Im hier zugrundeliegenden Rechtsstreit war der Kläger unter der Geltung des früheren Rundfunkgebührenstaatsvertrags (RGebStV) aufgrund seiner Schwerbehinderung gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 RGebStV von der Rundfunkgebührenpflicht befreit gewesen. In seinem Schwerbehindertenausweis findet sich ein entsprechender Eintrag („RF“). § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 RGebStV bestimmte, dass behinderte Menschen, deren Grad der Behinderung nicht nur vorübergehend wenigstens 80 von Hundert beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können, auf Antrag von der Rundfunkgebührenpflicht befreit werden.

Rundfunkbeitragsstaatsvertrag sieht lediglich Ermäßigung statt Befreiung vor Der zum 01.01.2013 in Kraft getretene Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) sieht in § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 RBStV demgegenüber unter diesen Voraussetzungen nur noch eine Ermäßigung des Rundfunkbeitrags auf ein Drittel des regulären Beitrags vor. Der Beklagte hatte daraufhin gegenüber dem Kläger mit Bescheid vom 01.09.2013 für die Monate Januar bis Juni 2013 auf ein Drittel ermäßigte Rundfunkbeiträge in Höhe von 35,94 € festgesetzt. Nach Zurückweisung eines hiergegen gerichteten Widerspruchs durch den Beklagten hatte der Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben. Diese war mit Urteil vom 01.10.2014 abgewiesen worden.

Kläger macht Anspruch auf Nachteilsausgleich geltend Der Kläger machte mit der hiergegen gerichteten Berufung vor dem VGH geltend, die Beitragsermäßigung sei unzureichend, weil er als Schwerbehinderter einen Anspruch auf Nachteilsausgleich habe und deshalb eine Befreiung von jeglicher Beitragszahlung geboten sei. Außerdem bestehe ein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand der Befreiung von Rundfunkabgaben.

Auch nach Vorschriften des Schwerbehindertenrechts kein Anspruch auf Beitragsbefreiung Der Verwaltungsgerichtshof ist den Argumenten des Klägers nicht gefolgt und hat zur Begründung ausgeführt: Der Kläger könne - über die ihm nach den Regelungen des RBStV gewährte Beitragsermäßigung hinaus - keine vollständige Beitragsbefreiung beanspruchen. Seine an die Rundfunkgebührenpflicht nach dem RGebStV anknüpfende Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 RGebStV sei mit dem Inkrafttreten des RBStV gegenstandslos geworden, zumal der Gesetzgeber (in § 14 Abs. 7 RBStV) eine Fortgeltung der nach früherem Recht ergangenen Rundfunkgebührenbefreiungsbescheide als Rundfunkbeitragsbefreiungsbescheide ausdrücklich nicht angeordnet habe. Entgegen seiner Rechtsauffassung könne der Kläger auch über Vorschriften des Schwerbehindertenrechts (§ 69 Abs. 5 SGB IX, § 1 und 3 Schwerbehindertenausweisverordnung) keine vollständige Beitragsbefreiung erlangen, denn diese Normen regelten lediglich, unter welchen Voraussetzungen und mit welchem Inhalt ein Schwerbehindertenausweis als "Nachweis" für die Inanspruchnahme nach "anderen Vorschriften" gewährter Leistungen und Hilfen ausgestellt werden könne. Einen materiellrechtlichen Anspruch auf solche Leistungen und Hilfen gewährten die genannten schwerbehindertenrechtlichen Normen selbst aber nicht. Auch aus § 126 SGB IX, welcher den Nachteilsausgleich schwerbehinderter Menschen betreffe, folge kein Anspruch des Einzelnen auf Rundfunkbeitragsbefreiung. Denn diese Vorschrift wende sich ausschließlich an den Gesetzgeber und gebe diesem auf, bei der Ausgestaltung des Nachteilsausgleichs nicht an die Ursache der Behinderung anzuknüpfen, was bei der Ausgestaltung des § 4 Abs. 2 Satz 1 RBStV nicht geschehen sei.

Auch mit Behinderung Empfang von Rundfunkangeboten möglich Im Übrigen sei der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag in allen seinen Teilen formell und materiell verfassungsgemäß. Insbesondere lasse sich nicht feststellen, dass die Bestimmungen des RBStV behinderte Menschen in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise (vgl. Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG) benachteiligten. Bei der Ausgestaltung des § 4 RBStV und der Entscheidung, Menschen mit Behinderungen im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 1 RBStV einen Drittelbeitrag abzuverlangen, habe sich der Gesetzgeber von der nachvollziehbaren Überlegung leiten lassen, dass eine Behinderung im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1-3 RBStV - und damit auch im Falle des Klägers - für sich genommen nicht den Empfang jeglicher Rundfunkangebote für die betreffenden Menschen ausschließe und dieser Personenkreis daher an der Finanzierung des Rundfunkangebots "angemessen" zu beteiligen sei. Dem Fall, dass ein Behinderter überhaupt keine Möglichkeit habe, das Programmangebot zu nutzen und demgemäß auch keinen beitragsrelevanten Vorteil ziehe, habe der Gesetzgeber andererseits durch Einführung der in § 4 Abs. 1 Nr. 10 RBStV vorgesehenen Befreiungsmöglichkeit und durch die Härtefallregelung des § 4 Abs. 6 RBStV Rechnung getragen.
Kein Verstoß gegen verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes Dem Gesetzgeber sei dadurch, dass er behinderte Menschen nicht generell von der Rundfunkbeitragspflicht befreit und diesem Personenkreis auch keine über die Drittelsregelung des § 4 Abs. 2 RBStV hinausgehende Beitragsermäßigung zugesprochen habe, ferner kein Verstoß gegen den in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG verankerten Förderauftrag unterlaufen. Zwar verlangte dieses Grundrecht vom Staat, dass dieser auf eine gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen und den Abbau von Benachteiligungen in der Gesellschaft hinwirke. Bei der Umsetzung dessen komme ihm aber ein weiter Ausgestaltungsspielraum zu, der bei der differenzierenden Ausgestaltung des § 4 RBStV nicht verletzt worden sei. Die Heranziehung des in § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 RBStV genannten Personenkreises - und damit des Klägers - zu einem Drittelbeitrag verstoße schließlich nicht gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes. Denn der Drittelbeitrag werde nur für Zeiträume ab dem 01.01.2013 geschuldet. Spätestens mit dem endgültigen Beschluss des Landtages von Baden-Württemberg vom 12.10.2011 über den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag habe der Kläger mit dem Inkrafttreten der Neuregelung - anstatt der bisher geltenden vollständigen Rundfunkgebührenbefreiung - rechnen müssen. Die bloße Erwartung, das geltende Recht werde unverändert fortbestehen, genieße ohnehin keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz.

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
  • Entscheidungsart:Urteil
  • Datum:06.09.2016
  • Aktenzeichen:2 S 2168/14

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg/ ra-online