Bei kollisionsbedingter Geschwindigkeitsänderung von unter 3 km/h beruht HWS-Verletzung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht auf Unfall

Bei einer kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung von unter 3 km/h beruht eine HWS-Verletzung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht auf den Unfall, selbst wenn ein Sachverständiger eine HWS-Verletzung aufgrund des Unfalls für möglich hält. Das Unfallopfer kann sich in diesem Fall nicht zum Nachweis der Kausalität auf einen Anscheinsbeweis stützen, selbst wenn es vor dem Unfall beschwerdefrei war. Dies geht aus einer Entscheidung des Landgerichts Stade hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im März 2013 stieß ein Pkw auf einer Landstraße gegen die seitliche Klappe eines Anhängers von einem landwirtschaftlichen Fahrzeug. Die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung betrug dabei unter 0,5 km/h, da der Pkw zum Kollisionszeitpunkt stand und das landwirtschaftliche Fahrtzeug sehr langsam fuhr. Einen Tag nach dem Unfall begab sich die Pkw-Fahrerin zu einem Arzt, der eine Zerrung der HWS diagnostizierte. Die Fahrerin führte dies auf den gestrigen Unfall zurück und erhob gegen den Fahrer des landwirtschaftlichen Fahrzeugs und dessen Haftpflichtversicherung Klage auf Zahlung von Schmerzensgeld.

Amtsgericht wies Schmerzensgeldklage ab Das Amtsgericht Zeven wies die Schmerzensgeldklage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens ab. Der Sachverständige führte aus, dass die Verletzung aufgrund der sehr geringen kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht auf den Unfall zurückzuführen gewesen sei. Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts legte die Klägerin Berufung ein.

Landgericht verneint ebenfalls Schmerzensgeldanspruch Das Landgericht Stade bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts und wies daher die Berufung der Klägerin zurück. Ihr stehe kein Anspruch auf Schmerzensgeld zu, da sie nicht habe nachweisen können, dass die HWS-Verletzung durch den Unfall verursacht worden sei.

Kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung von unter 3 km/h spricht gegen Kausalität von HWS-Verletzung und Unfall Sei die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung mit unter 3 km/h derart gering, dass die daraus erwachsenen Belastungen mit denen des Alltags vergleichbar seien, spreche nach Ansicht des Landgerichts vieles dafür, dass eine Beeinträchtigung der HWS mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht auf den Unfall beruhe. Dies gelte selbst dann, wenn der Sachverständige eine HWS-Verletzung für plausibel halte. Mit der bloßen Verletzungsmöglichkeit sei der hohe Beweismaß des § 286 ZPO nicht zu erfüllen.

Kein Anscheinsbeweis für Kausalität trotz Beschwerdefreiheit vor Unfall Die Klägerin könne sich nach Auffassung des Landgerichts für die Kausalität nicht auf einen Anscheinsbeweis berufen. Allein der Umstand, dass die Klägerin vor dem Unfall im Bereich der HWS beschwerdefrei gewesen sei, dass nach dem Unfall Beschwerden auftraten, die sodann ärztlich diagnostiziert wurden, reiche nicht zur Begründung eines Anscheinsbeweises zu Gunsten der Klägerin für eine Kausalität zwischen Unfall und nachfolgenden Beschwerden. Dies gelte jedenfalls dann, sofern die nach dem Unfall auftretenden Beschwerden im Wesentlichen unspezifisch seien und von daher bei unfallunabhängigen wie bei unfallabhängigen HWS-Erkrankungen auftreten können.

  • Vorinstanz:
    • Amtsgericht ZevenUrteil[Aktenzeichen: 3 C 253/13]

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Landgericht Stade
  • Entscheidungsart:Urteil
  • Datum:08.06.2015
  • Aktenzeichen:1 S 19/14

Landgericht Stade, ra-online (zt/NJW-RR 2016, 99/rb)