"Vollbremsung aus dem Nichts": Abruptes Abbremsen und Abbiegen ohne zu Blinken kann zur Mithaftung des Vorausfahrenden führen

Bei einem Auffahrunfall spricht der erste Anschein in der Regel gegen den Auffahrenden. Es liegt nahe, dass er zu schnell, zu unaufmerksam oder ohne den erforderlichen Abstand gefahren ist. Bremst der Vorausfahrende aber abrupt ab, um ohne zu blinken in eine Grundstückseinfahrt abzubiegen, kann ihn ein sogenanntes Mitverschulden treffen. Dies geht aus einem Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg hervor.

Im zugrunde liegenden Fall hatte ein Mann aus Aurich während einer Fahrt stark abgebremst und war dann in seine Hauseinfahrt eingebogen. Die beiden nachfolgenden Fahrer konnten noch gerade rechtzeitig abbremsen. Das gelang dem dritten nachfolgenden Fahrer nicht. Er fuhr auf das vorausfahrende Auto auf.
Erster Anschein spricht grundsätzlich gegen Auffahrenden Das Oberlandesgericht Oldenburg gewichtete die Verschuldensanteile mit 2/3 auf Seiten des Auffahrenden und 1/3 auf Seiten des Abbremsers. Zwar spreche der erste Anschein gegen den Auffahrenden. Man müsse immer damit rechnen, dass ein vorausfahrendes Auto abrupt anhalte, zum Beispiel, weil ein Kind auf die Fahrbahn laufe. Den beiden vorausfahrenden Autos sei es schließlich auch gelungen, noch rechtzeitig abzubremsen.
Abbremser muss sich aufgrund eigenen Verhalten Mitverschulden anrechnen lassen Vorliegend treffe aber auch den Abbremser ein erhebliches Mitverschulden. Die Zeugen hätten berichtet, dass er eine "Vollbremsung aus dem Nichts" gemacht und dazu noch nicht einmal geblinkt habe. Hintergrund war wohl, dass sich der Fahrer durch einen Überholversuch seines Hintermannes provoziert gefühlt und diesen durch das plötzliche Abbremsen habe maßregeln wollen, so das Gericht. Bei einem solchen Verhalten müsse er sich ein Mitverschulden anrechnen lassen. Dieses bewertete das Gericht im konkreten Fall mit 1/3.

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Oberlandesgericht Oldenburg
  • Entscheidungsart:Urteil
  • Datum:26.10.2017
  • Aktenzeichen:1 U 60/17

Oberlandesgericht Oldenburg/ra-online