BGH: Zwangsräumung eines besetzten Hauses setzt Identifizierbarkeit der zu räumenden Hausbesetzer durch Vollstreckungstitel voraus

Soll ein besetztes Haus mittels eines Vollstreckungstitels zwangsgeräumt werden, so muss der Titel die Identifizierung der Hausbesetzer ermöglichen. Ist dies nicht der Fall, so ist die Zwangsräumung unzulässig. Der Grundstückseigentümer ist dann auf das Polizei- und Ordnungsrecht zu verweisen. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Juli 2016 erwirkte eine Grundstückseigentümerin einen Räumungstitel gegen die Besetzer des Hauses. Als Räumungsschuldner wurde im Titel eine Anzahl von 40 männlichen und weiblichen Personen, die sich "Kulturkollektiv Arno-Nietzsche" nennt und die sich zum Zeitpunkt der Räumung auf dem Grundstück dauerhaft aufhielten, bezeichnet. Der Gerichtsvollzieherin war dies zu unbestimmt, da sich dadurch die Räumungsschuldner in Person nicht ausreichend identifizieren lassen würden. Sie lehnte daher eine Zwangsräumung ab. Dagegen erhob die Grundstückseigentümerin Rechtsmittel.

Amtsgericht und Landgericht weisen Rechtsmittel zurück Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht Leipzig wiesen das Rechtsmittel zurück. Die Voraussetzungen einer Zwangsräumung lägen nicht vor, da die Schuldner nicht so klar bezeichnet seien, dass sie identifiziert werden können. Gegen diese Entscheidung legte die Grundstückseigentümerin Rechtsbeschwerde ein.

Bundesgerichtshof verneint ebenfalls Zwangsräumung Der Bundesgerichtshof bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und weis daher die Rechtsbeschwerde der Grundstückseigentümerin zurück. Es fehle im Räumungstitel in Bezug auf die Schuldner an einer Bezeichnung, die eine hinreichend sichere Identifizierung der durch die Zwangsräumung betroffenen Personen ermögliche. Damit genüge der Titel nicht den Anforderungen des § 750 Abs. 1 der Zivilprozessordnung. So sei nicht feststellbar, ob eine auf dem Grundstück angetroffene Person zu der Gruppe der Schuldner gehöre.

Schutz des Grundstückseigentümers durch Polizei- und Ordnungsrecht Soweit die Grundstückseigentümerin anführte, sie würde vollständig schutzlos gestellt, folgte der Bundesgerichtshof dem nicht. Denn eine Räumung gegenüber Hausbesetzern könne nach dem Polizei- und Ordnungsrecht erfolgen. Bei Haus- und Grundstücksbesetzungen gehe es gemäß § 123 StGB um strafbare Handlungen und damit um die Störung der öffentlichen Sicherheit im Sinne der allgemeine polizeilichen Eingriffsermächtigung. Zudem würden in den Besetzungsfällen regelmäßig auch die Eingriffsvoraussetzungen für den polizeilichen Schutz privater Rechte vorliegen (vgl. z. B. § 2 Abs. 2 des Polizeigesetzes Sachsen).

  • Vorinstanz:
    • Amtsgericht LeipzigBeschluss[Aktenzeichen: 433 M 16444/16]
    • Landgericht LeipzigBeschluss[Aktenzeichen: 8 T 753/16]

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Bundesgerichtshof
  • Entscheidungsart:Beschluss
  • Datum:13.07.2017
  • Aktenzeichen:I ZB 103/16

Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)