Hörbehindertem steht Anspruch auf Kostenübernahme eines Telefonklingelsenders gegen Krankenversicherung zu

Einem Hörbehinderten steht ein Anspruch auf Kostenübernahme für einen Telefonklingelsender gegen die gesetzliche Krankenversicherung zu. Denn das Grundbedürfnis von Hörbehinderten nach Kommunikation umfasst auch die passive Erreichbarkeit von Telefonkontakten. Dies hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Dezember 2014 beantragte ein Mann, der beidseitig hochgradig schwerhörig war, bei seiner gesetzlichen Krankenversicherung unter anderem die Übernahme der Kosten eines Telefonklingelsenders in Höhe von 139 EUR. Ein solcher Sender erkennt das Klingeln des Telefons und sendet ein Funksignal an alle angeschlossenen Empfänger, wie etwa an eine Blitzlampe. Die Krankenversicherung lehnte die Kostenübernahme aber ab. Das Telefonieren gehöre ihrer Ansicht nach nicht zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens, deren Befriedigung die gesetzliche Krankenversicherung sicherstellen müsse. Die Versicherung verwies daher auf den Sozialhilfeträger. Dieser übernahm schließlich die Kosten, klagte aber gegen die Krankenversicherung auf Kostenerstattung.

Sozialgericht gab Klage auf Kostenerstattung statt Das Sozialgericht Stuttgart gab der Klage auf Kostenerstattung statt. Die gesetzliche Krankenversicherung sei vorrangig leistungspflichtig gewesen. Der Telefonsender stelle ein Hilfsmittel dar, das die Schwerhörigkeit mittelbar ausgleichen solle. Hilfsmittel zum mittelbaren Behindertenausgleich werden von der gesetzlichen Krankenversicherung gewährt, wenn sie die Auswirkung der Behinderung im täglichen Leben beseitigen oder mildern und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens beträfen. Zu diesen Grundbedürfnissen gehören das selbstständige Kommunizieren mit anderen Menschen und damit die passive Erreichbarkeit für spontane Telefonanrufe. Gegen diese Entscheidung legte die Krankenversicherung Berufung ein.

Landessozialgericht bejaht ebenfalls Anspruch auf Kostenerstattung für Telefonsender Das Landessozialgericht Baden-Württemberg bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und wies daher die Berufung der Krankenversicherung zurück. Es verwies darauf, dass das Grundbedürfnis des hörbehinderten Menschen nach Kommunikation mit anderen Menschen die passive Erreichbarkeit durch Menschen aus dem Bereich der Außenwelt für Besuche umfasse. Dies gelte auch für nicht angemeldete, spontane Besuche, so dass die Krankenkasse dem Hörbehinderten gegebenenfalls einen Türklingelsender als Hilfsmittel gewähren müsse (vgl. BSG, Urt. v. 29.04.2010 - B 3 KR 5/09 R -).

Grundbedürfnis nach Kommunikation umfasst passive Erreichbarkeit für Telefonkontakte Das Grundbedürfnis nach Kommunikation umfasse aber nach Ansicht des Landessozialgerichts nicht nur die passive Erreichbarkeit für Besuchskontakte, sondern auch die passive Erreichbarkeit für Telefonkontakte als virtuelle Kontakte im Sinne des "Angerufenwerdenkönnens". Im Übrigen habe das Bundessozialgericht im oben genannten Urteil das Läuten des Telefons bzw. dessen Umwandlung in optische Signale als Beispiel für einen mittelbaren Behindertenausgleich durch die gesetzliche Krankenversicherung angeführt.

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Landessozialgericht Baden-Württemberg
  • Entscheidungsart:Urteil
  • Datum:16.05.2018
  • Aktenzeichen:L 5 KR 1365/16

Landessozialgericht Baden-Württemberg, ra-online (vt/rb)