Stark alkoholisierter Fußgänger haftet für nächtlichen Unfall auf unbeleuchteter Landstraße

Wird ein Fußgänger von einem Pkw angefahren, so haftet der Fußgänger für die Unfallfolgen, wenn er bei Nacht unter starkem Alkoholeinfluss auf die Fahrbahn einer unbeleuchteten Landstraße läuft. Ihm ist insofern eine schwerwiegende Obliegenheitsverletzung anzulasten. Dies hat das Thüringer Oberlandesgericht entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Oktober 2011 kam es bei Nacht auf einer unbeleuchteten Landstraße zu einem Unfall zwischen einem Fußgänger und einem Pkw. Der Fußgänger lief auf der Fahrbahn und war stark alkoholisiert, als sich der Pkw näherte. Eine Messung ergab eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 2,07 Promille. Der Fußgänger lief unerwartet vor den Pkw. Trotz sofortiger Einleitung einer Vollbremsung konnte der Pkw-Fahrer den Zusammenstoß nicht verhindern. Nachfolgend klagte die Krankenversicherung des Fußgängers gegen den Pkw-Fahrer auf Zahlung von Schadensersatz.

Landgericht weist Schadensersatzklage ab Das Landgericht Mühlhausen wies die Schadensersatzklage ab. Seiner Ansicht nach sei der Unfall allein aufgrund einer Obliegenheitsverletzung des Fußgängers verursacht worden. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Berufung der Klägerin.

Oberlandesgericht verneint ebenfalls Schadensersatzanspruch Das Thüringer Oberlandesgericht bestätigte die Entscheidung des Landgerichts und wies daher die Berufung der Klägerin zurück. Ihr stehe kein Anspruch auf Schadensersatz zu, da dem Fußgänger ein derart großes Mitverschulden anzulasten sei, dass der Pkw-Fahrer von seiner Haftung befreit sei.

Schwerwiegende Obliegenheitsverletzung des Fußgängers Dem Fußgänger sei eine schwerwiegende Obliegenheitsverletzung anzulasten, so das Oberlandesgericht. Er habe zum einen gegen § 25 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung (StVO) verstoßen, wonach Fußgänger am linken Fahrbahnrand zu gehen haben, wenn die Straße weder über einen Gehweg noch einen Seitenstreifen verfüge. Der Fußgänger sei aber auf der Fahrbahn gelaufen. Zudem müssen Fußgänger bei Dunkelheit zur Vermeidung einer Gefährdung neben die Fahrbahn ausweichen, wenn sich ein Fahrzeug nähere und das Ausweichen ohne Schwierigkeiten möglich sei. Zum anderen habe der Fußgänger gegen die Obliegenheit verletzt, nicht im Zustand alkoholbedingter Verkehrstüchtigkeit am Straßenverkehr teilzunehmen. Alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit sei bei Fußgängern auch ohne Ausfallerscheinungen jedenfalls ab einer BAK von 2,0 Promille unwiderleglich anzunehmen.

Anscheinsbeweis spricht für Ursächlichkeit von Obliegenheitsverstoß und Unfall Nach Auffassung des Oberlandesgerichts greife bezüglich der Ursächlichkeit der beiden Obliegenheitsverstöße und dem Unfall ein Anscheinsbeweis.

Einfache Betriebsgefahr tritt hinter schwerwiegende Obliegenheitsverletzung zurück Aus Sicht des Oberlandesgerichts hafte der Pkw-Fahrer lediglich aufgrund der einfachen Betriebsgefahr seines Fahrzeugs. Diese trete aber hinter dem schwerwiegenden Obliegenheitsverstoß des Fußgängers vollständig zurück. Das Laufen auf einer unbeleuchteten Straße zur Nachtzeit im Zustand der alkoholbedingten Verkehrsuntüchtigkeit sei als großer Obliegenheitsverstoß zu werten.

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Oberlandesgericht Thüringen
  • Entscheidungsart:Urteil
  • Datum:15.06.2017
  • Aktenzeichen:1 U 540/16

Thüringer Oberlandesgericht, ra-online (vt/rb)