Rücksichtsloses Überholen: Als Nötigung strafbares Ausbremsen nur bei Absicht des Täters zur Unterbindung der Fortbewegung des Opfers

Eine Strafbarkeit wegen Nötigung gemäß § 240 Abs. 1 StGB kommt bei einem Ausbremsen nur in Betracht, wenn der Täter gerade das Unterbinden der Fortbewegung des Opfers durch seine Fahrweise bezweckt. Dagegen begründet ein bloß rücksichtloses Überholen keine Strafbarkeit wegen Nötigung. Dies hat das Kammergericht Berlin entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im September 2016 wurde ein Autofahrer wegen Nötigung zu einer Geldstrafe verurteilt. Zudem wurde gegen ihn ein Fahrverbot verhängt. Hintergrund dessen war, dass sich der Autofahrer im April 2016 über die langsame Fahrweise eines vor ihm fahrenden Pkw behindert gefühlt habe. Er hatte daher den Pkw-Fahrer rechts überholt und sich knapp vor dem Pkw auf der linken Spur gesetzt, so dass der Pkw-Fahrer hatte stark abbremsen müssen. Nach Ansicht des Amtsgerichts habe der Angeklagte das Abbremsen des Pkw-Fahrers erzwingen wollen. Gegen diese Entscheidung legte der Angeklagte Revision ein.

Keine Strafbarkeit wegen Nötigung Das Kammergericht Berlin entschied zu Gunsten des Angeklagten und hob daher die Entscheidung des Amtsgerichts auf. Eine Strafbarkeit wegen Nötigung bestehe nicht. Nicht jeder vorsätzliche Regelverstoß im Straßenverkehr, der ein Nötigungselement enthalte, sei eine Nötigung gemäß § 240 Abs. 1 StGB. Für eine Strafbarkeit wegen Nötigung hätte es dem Angeklagten gerade darum gehen müssen, die beabsichtigte Fortbewegung des Pkw-Fahrers zu unterbinden. Hier spreche jedoch nichts dafür, dass der Angeklagte beim Wiedereinscheren eine Vollbremsung oder ein starkes Abbremsen des Pkw-Fahrers habe bezwecken wollen. Ein solcher Schluss lasse sich aus den Feststellungen des Amtsgerichts nicht entnehmen.

Vorliegen eines bloß rücksichtslosen Überholens Nach Auffassung des Kammergerichts liege vielmehr ein "bloß" rücksichtsloses Überholen vor. Bei einem solchen Fahrmanöver komme es dem Autofahrer darauf an, schnell voran zu kommen. Dass dies auf Kosten anderer geschehe, sei nur die in Kauf genommene Folge seiner Fahrweise. Ein Schuldspruch wegen Nötigung scheide in einem solchen Fall aus. Jedoch liege ein vorsätzlicher Verstoß gegen § 5 Abs. 4 Satz 4 StVO und somit eine vorsätzliche Ordnungswidrigkeit gemäß § 24 StVG in Verbindung mit § 49 Abs. 1 Nr. 5 StVO vor.

  • Eine weitere Entscheidung zu diesem Thema:
    • Oberlandesgericht StuttgartUrteil[Aktenzeichen: 3 Ss 76/95]
  • Vorinstanz:
    • Amtsgericht Berlin-Tiergarten
  • Gleichlautende Entscheidung:
    • Oberlandesgericht DüsseldorfBeschluss[Aktenzeichen: III-5 Ss 130/07 - 61/07 I]

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Kammergericht Berlin
  • Entscheidungsart:Beschluss
  • Datum:20.12.2016
  • Aktenzeichen:(3) 161 Ss 211/16 (144/16)

Kammergericht Berlin, ra-online (vt/rb)