Für Kündigung aus Anlass einer Erkrankung spricht zeitlicher Zusammenhang zwischen Kündigung und Arbeitsunfähigkeit

Wird die Kündigung eines Arbeitnehmers im zeitlichen Zusammenhang mit seiner Arbeitsunfähigkeit ausgesprochen, so spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine Kündigung aus Anlass der Erkrankung. Der Arbeitgeber ist daher gemäß § 8 Abs. 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) zur Entgeltfortzahlung über den Kündigungszeitpunkt hinaus verpflichtet. Dies hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Anfang Juli 2016 begann ein Schlosser seine Tätigkeit bei einem Fuhrbetrieb. Die Probezeit betrug drei Monate. Einige Tage später erkrankte der Arbeitnehmer arbeitsunfähig. Ein paar Tage später wurde die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit bis August 2016 festgestellt. Nach Angaben des Arbeitnehmers setzte er seinen Arbeitgeber davon noch am selben Tag in Kenntnis. Der Arbeitnehmer erhielt daraufhin eine Kündigung mit der Begründung, der Arbeitnehmer habe 12 Tage zuvor einen Fehler begangen. Zudem habe er trotz arbeitsvertraglicher Verpflichtung nicht die Qualifikation zum Berufskraftfahrer erworben. Der Arbeitnehmer hielt seine Erkrankung als Auslöser für die Kündigung, so dass es zu einem Rechtsstreit über die Entgeltfortzahlung über den Kündigungszeitpunkt hinaus kam.

Arbeitsgericht bejaht Anspruch auf Entgeltfortzahlung Das Arbeitsgericht Cottbus bejahte einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung gemäß § 8 Abs. 1 EFZG. Der Arbeitgeber habe das Arbeitsverhältnis aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit gekündigt. Das 12-tägige Abwarten zwischen dem behaupteten Fehler des Arbeitnehmers und der Kündigung habe der Arbeitgeber nicht erklären können und sei auch nicht ersichtlich. Der unterlassene Erwerb der Qualifikation scheide als alleiniger Kündigungsgrund aus. Zumindest sei die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers mitursächlich gewesen. Gegen diese Entscheidung legte der Arbeitgeber Berufung ein.

Landesarbeitsgericht nimmt ebenfalls Kündigung aus Anlass der Erkrankung an Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und verwies auf die Begründung des Arbeitsgerichts. Zwar ende die Pflicht zur Entgeltfortzahlung für den Arbeitgeber mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses. Dies gelte aber nach § 8 Abs. 1 EFZG dann nicht, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis "aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit" kündigt. Dabei müsse die Arbeitsunfähigkeit nicht alleiniger Grund für die Kündigung sein.

Anscheinsbeweis spricht für Anlasskündigung bei zeitlichem Zusammenhang zwischen Kündigung und Arbeitsunfähigkeit Ist die Kündigungen in zeitlich engem Zusammenhang zur angezeigten Arbeitsunfähigkeit ausgesprochen worden, so komme dem Arbeitnehmer nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts ein Anscheinsbeweis zugute. Eine Anlasskündigung sei daher zu vermuten, wenn sie in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem zeitlichen Eintritt der Arbeitsunfähigkeit erfolgt. Dabei sei zu beachten, dass der Arbeitgeber nach dem Ende der zunächst bescheinigten Dauer der Arbeitsunfähigkeit noch drei Tage abzuwarten habe, ob der Arbeitnehmer ihm die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit anzeigt. Komme er dem nicht nach, könne er sich nicht darauf berufen, dass er keine Kenntnis von der Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit hatte. Er werde vielmehr so behandelt als ob er von der Fortdauer gewusst habe.

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
  • Entscheidungsart:Urteil
  • Datum:01.03.2018
  • Aktenzeichen:10 Sa 1507/17

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, ra-online (vt/rb)