BGH: Keine arglistige Täuschung der Versicherung bei Nichtaufnahme von mündlichen Angaben des Versicherungsnehmers durch Versicherungsvertreter

Macht der zukünftige Versicherungsnehmer gegenüber dem Versicherungsvertreter mündlich Angaben zu Vorerkrankungen und Arztbesuchen und nimmt dies der Versicherungsvertreter nicht in den Antrag auf, so liegt keine arglistige Täuschung durch den Versicherungsnehmer vor. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Mai 2010 schloss der Mitarbeiter eines Automobilherstellers eine Berufsunfähigkeitsversicherung ab. Der Antrag wurde dabei von einem befreundeten Versicherungsvertreter aufgenommen. Dieser stellte dem zukünftigen Versicherungsnehmer fragen und nahm die Antworten in den Antrag auf. Sämtliche Gesundheitsfragen und die Frage nach Arztbesuchen wurden dabei mit "nein" beantwortet. Der Versicherungsnehmer hatte aber ausgesagt, sich wegen Rückenbeschwerden mehrmals in ärztlicher Behandlung befunden zu haben. Nach seinen Angaben wurde er dabei immer als Simulant hingestellt. Der Versicherungsvertreter nahm nach seiner Aussage diese Angaben nicht in den Antrag auf, weil er sonst nicht mehr versichern würde, wenn er das in jedem Fall mache. Nachdem der Versicherungsnehmer wegen einer Erkrankung seine Berufsunfähigkeitsversicherung in Anspruch nehmen wollte, focht diese den Versicherungsvertrag an. Die Versicherung sah in der falschen Beantwortung der Gesundheitsfragen eine arglistige Täuschung. Der Versicherungsnehmer erhob schließlich Klage auf Auszahlung der Leistungen.

Landgericht und Oberlandesgericht weisen Klage ab Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht Stuttgart wiesen die Klage ab. Durch die falsche Beantwortung der Gesundheitsfragen habe der Kläger eine arglistige Täuschung begangen, so dass die Beklagte den Versicherungsvertrag habe anfechten können. Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Rechtsmittel ein.

Bundesgerichtshof verneint Vorliegen einer arglistigen Täuschung Der Bundesgerichtshof entschied zu Gunsten des Klägers und hob daher die Entscheidung der Vorinstanz auf. Ein Versicherer könne allein mit dem Inhalt des von seinen Agenten ausgefüllten Antragsformulars nicht den Beweis führen, dass der Versicherungsnehmer hinsichtlich der Gesundheitsfrage falsche Angaben gemacht habe, wenn dieser vortragen könne, den Agenten mündlich über Vorerkrankungen, ärztliche Untersuchungen oder Behandlungen unterrichtet zu haben. So lag der Fall hier. Urheber der schriftlichen Antworten auf dem Antragsformular sei in erster Linie der Versicherungsvertreter gewesen.

Keine Verletzung der Anzeigenobliegenheit Der empfangsbevollmächtigte Versicherungsvertreter sei nach Ansicht des Bundesgerichtshofs das Auge und Ohr der Versicherung. Was ihm gesagt und vorgelegt werde, sei dem Versicherer gesagt und vorgelegen worden. Habe daher der Agent etwas, was ihm der Antragsteller auf die Fragen wahrheitsgemäß mündlich mitgeteilt hat, nicht in das Antragsformular aufgenommen, so habe der Antragsteller seine Anzeigenobliegenheit gleichwohl gegenüber dem Versicherer erfüllt.

Keine Aufnahme der Antworten aus wirtschaftlichem Interesse des Versicherungsvertreters Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs seien die unzutreffenden Angaben im Bewusstsein um die Risikorelevanz der vom Kläger gemachten Angaben aus eigenem wirtschaftlichem Interesse des Versicherungsvertreters am Vertragsschluss gemacht worden. Es sei auch nicht Aufgabe der künftigen Versicherungsnehmers, den Versicherungsvertreter hinsichtlich der Fragen zu kontrollieren, was in das Antragsformular aufzunehmen sei.

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Bundesgerichtshof
  • Entscheidungsart:Beschluss
  • Datum:05.07.2017
  • Aktenzeichen:IV ZR 508/14

Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)