BSG: Jobcenter kann zur Kostenübernahme einer Lernförderung zur Behebung einer Lese-Rechtschreib-Schwäche eines Schülers verpflichtet sein

Liegt bei einem Schüler eine diagnostizierte Lese-Rechtschreib-Schwäche vor, so kann das Jobcenter verpflichtet sein, die Kosten eines Volkshochschulkurses zur Behebung der Lese-Rechtschreib-Schwäche als Leistung zur Lernförderung zu übernehmen. Die Lernförderung setzt nicht voraus, dass eine nur kurzzeitige und versetzungsgefährdende Lernschwäche vorliegt. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundessozialgerichts hervor.

In dem zugrunde liegenden Fall litt ein Schüler auf einer Gemeinschaftsschule unter einer Lese-Rechtschreib-Schwäche. Sowohl der Schüler als auch seine Mutter bezogen ALG-II-Leistungen. In der Zeit von April 2012 bis Juli 2014 nahm der Schüler an einem Unterricht zur Lese- und Rechtschreibförderung an einer Volkshochschule teil. Der Unterricht dauerte einmal in der Woche 90 Minuten und kostete 56 bis 89 Euro pro Monat. Die Mutter des Schülers beantragte die Übernahme der Kosten durch das Jobcenter. Dieses lehnte aber die Kostenübernahme ab. Es begründete dies zum einen damit, dass aufgrund eines Notenschutzes der Schüler für Rechtschreibleistungen keine Fachnoten erhielt und aufgrund dessen seine Versetzung nicht gefährdet war. Zum anderen könne eine Leistung zur Lernförderung nur übernommen werden, wenn eine vorübergehende kurzzeitige Lernschwäche vorliege. Die Mutter des Schülers sah dies anders und erhob Klage.

Sozialgericht und Landessozialgericht geben Klage statt Sowohl das Sozialgericht Lübeck als auch das Landessozialgericht Schleswig-Holstein gaben der Klage statt. Aus Sicht des Landesozialgerichts setzte eine Lernförderung nicht voraus, dass die Versetzung gefährdet ist und eine nur kurzzeitige Lernschwäche vorliegt. Eine Lernförderung sei auch für eine längere Zeit zu gewähren, wenn dies erforderlich ist, um einen gleichberechtigten Zugang zu Bildung zu ermöglichen. Lernziel sei auch nicht die Versetzung, sondern der Erwerb der Fähigkeiten Lesen und Schreiben. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Revision des Jobcenters.

Bundessozialgericht verneint ebenfalls Erfordernis einer nur kurzzeitigen und versetzungsgefährdenden Lernschwäche Das Bundessozialgericht bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz dahingehend, dass eine Lernförderung nicht voraussetze, dass eine nur kurzzeitige und versetzungsgefährdende Lernschwäche vorliege. Lernziel der Lernförderung sei das Erreichen der Kulturtechniken Lesen und Schreiben und nicht die Versetzung in die nächsthöhere Klasse. Es solle die Basis für Chancengleichheit hergestellt werden. Zugleich solle vermieden werden, dass schulpflichtige Kinder von ALG-II-Beziehern in ihren Möglichkeiten eingeschränkt werden, später ihren Lebensunterhalt aus eigenen Kräften bestreiten zu können und am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.

Fehlende Prüfung der Ausprägung der Lese-Rechtschreib-Schwäche sowie der Erforderlichkeit des Volkshochschulkurses Das Bundessozialgericht konnte in der Sache aber nicht abschließend entscheiden, da das Landessozialgericht nicht festgestellt habe, welche Ausprägung die Lese-Rechtschreib-Schwäche hat und ob ausgehend davon der Volkshochschulkurs erforderlich und geeignet ist die Lese-Rechtschreib-Schwäche zu beheben und die Kosten angemessen sind. Der Fall wurde daher zurückverwiesen.

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Bundessozialgericht
  • Entscheidungsart:Urteil
  • Datum:24.04.2018
  • Aktenzeichen:B 4 AS 19/17 R

Bundessozialgericht, ra-online (vt/rb)