Kein Anspruch auf Verletztenrente bei unfallbedingter Verletzung des rechten Zeigefingers

Für die Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nach einem Unfall ist das durch die Beeinträchtigung verbleibende körperliche und geistige Leistungsvermögen auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens entscheidend. Auf den bisherigen Beruf oder die zuletzt ausgeübte berufliche Tätigkeit kommt es nicht an. Dies geht aus einer Entscheidung des Sozialgerichts Karlsruhe hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der als CNC-Fräser beschäftigt gewesene Kläger zog sich bei einem Arbeitsunfall eine offene Grundgliedfraktur mit Zerreißung der Strecksehne des rechten Zeigefingers zu. Nach Abschluss medizinischer Behandlungsmaßnahmen und einer Arbeits- und Belastungserprobung beim früheren Arbeitgeber arbeitete er wieder vollschichtig im zuletzt ausgeübten Beruf.
Berufsgenossenschaft lehnt Gewährung von Verletztenrente ab Die beklagte Berufsgenossenschaft anerkannte als Unfallfolge eine Versteifung des Zeigefingermittel- und Zeigefingerendgelenks und eine endgradige Bewegungseinschränkung des Grundgelenks des rechten Zeigefingers sowie Belastungsbeschwerden. Die Gewährung von Verletztenrente lehnte sie dagegen ab.

Der Kläger erhob aufgrund der Versagung von Verletztenrente Klage und verwies zur Einschätzung der unfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit auf einen Aufsatz zur "Neubewertung der Minderung der Erwerbsfähigkeit bei unfallchirurgisch-orthopädischen Arbeitsunfall- und BK-Folgen in der gesetzlichen Unfallversicherung".
SG verneint ebenfalls Anspruch auf Verletztenrente Das Sozialgerichts Karlsruhe wies die Klage ab. Die anerkannten Unfallfolgen rechtfertigten keine Minderung der Erwerbsfähigkeit um wenigstens 20 %. Im Unfallversicherungsrecht richte sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Auf den bisherigen Beruf oder die zuletzt ausgeübte berufliche Tätigkeit komme es - von hier nicht vorliegenden Ausnahmefällen abgesehen - nicht an. Für die Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit seien neben den sich aus den Unfallfolgen ergebenden Funktionsbeeinträchtigungen im Interesse einer Gleichbehandlung aller Versicherten die im unfallrechtlichen und unfallmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Regel- oder Normalsätze maßgebend. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um wenigstens 20 % stehe danach beispielsweise beim Verlust eines Zeigefingers im Grund- oder Mittelglied oder einer stärkeren Beuge- oder Streckhemmung aller Gelenke der Finger oder aller Gelenke des Daumens und des Zeigefingers zu. Die beim Kläger verbliebenen Unfallfolgen seien indes nach den medizinischen Befundunterlagen weniger stark ausgeprägt. Auch der von ihm herangezogene Aufsatz verhelfe seiner Klage nicht zum Erfolg. Denn dieser Aufsatz enthalte allein Vorschläge der Kommission einer medizinischen Fachgesellschaft zur Neubemessung der Erfahrungssätze zur Minderung der Erwerbsfähigkeit. Diese Vorschläge seien Gegenstand einer ergebnisoffenen und aktuell noch nicht abgeschlossenen Reformdiskussion unter Berücksichtigung der gewandelten Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes. Das Sozialgericht halte deshalb im Wege einer Einzelfallprüfung an den bisherigen, über Jahrzehnte herausgebildeten Erfahrungssätzen der Minderung der Erwerbsfähigkeit fest.

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Sozialgericht Karlsruhe
  • Entscheidungsart:Urteil
  • Datum:17.10.2019
  • Aktenzeichen:S 1 U 1297/19

Sozialgericht Karlsruhe/ra-online (pm/kg)