BAG: Keine betriebliche Übung bei irrtümlicher Annahme des Arbeitsgebers zur Leistungspflicht

Zwar kann ein Tarifvertrag aufgrund einer betrieblichen Übung zur Anwendung kommen. Dies gilt aber dann nicht, wenn der Arbeitgeber irrtümlich meint, er müsse den Tarifvertrag anwenden. In diesem Fall entsteht keine betriebliche Übung. Dies hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.

In dem zugrunde liegenden Fall klagte eine Arbeitnehmerin auf Zahlung einer höheren Vergütung. Die Arbeitnehmerin war seit dem Jahr 1994 bei einem Klinikum beschäftigt. Im Jahr 2007 kam es zu einem Betriebswechsel. Die neue Betreiberin des Klinikums teilte der Arbeitnehmerin mit, dass auf ihr Arbeitsverhältnis ein bestimmter Tarifvertrag Anwendung findet. Tatsächlich beruhte dies jedoch auf einen Irrtum der neuen Betreiberin. Im November 2013 kam es schließlich zu einem weiteren Betriebsübergang. Die nunmehrige Betreiberin des Klinikums wandte auf das Arbeitsverhältnis einen eigenen Tarifvertrag an, was zur Folge hatte, dass die Arbeitnehmerin weniger an Lohn erhielt. Die Arbeitnehmerin meinte, dass der alte Tarifvertrag aufgrund einer betrieblichen Übung weiterhin Anwendung finde und erhob daher Klage gegen ihre neue Arbeitgeberin.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht geben Klage statt Sowohl das Arbeitsgericht Magdeburg als auch das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt gaben der Klage statt. Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts finde der alte Tarifvertrag aufgrund betrieblicher Übung auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin Anwendung. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Revision der Beklagten.

Bundesarbeitsgericht verneint Entstehung einer betrieblichen Übung Das Bundesarbeitsgericht entschied zu Gunsten der Beklagten und hob daher die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts auf. Der Klägerin stehe kein Anspruch auf höheren Lohn zu, da der alte Tarifvertrag nicht wegen betrieblicher Übung zur Anwendung komme. Zwar können Tarifverträge grundsätzlich über eine betriebliche Übung anwendbar sein. Eine betriebliche Übung entstehe aber dann nicht, wenn sich der Arbeitgeber irrtümlich aufgrund einer vermeintlichen Verpflichtung zur Leistungserbringung verpflichtet glaubte. In diesem Fall könne der Arbeitnehmer nicht davon ausgehen, ihm solle eine Leistung auf Dauer unabhängig von dieser Rechtspflicht gewährt werden. So lag der Fall hier.

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Bundesarbeitsgericht
  • Entscheidungsart:Urteil
  • Datum:11.07.2018
  • Aktenzeichen:4 AZR 443/17

Bundesarbeitsgericht, ra-online (vt/rb)