Abgasskandal: Käufer eines Fahrzeugs mit unzulässiger Abschalteinrichtung steht Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu

Das Saarländische Oberlandesgericht hat entschieden, dass in dem Inverkehrbringen eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüsteten und damit mangelbehafteten Motors eine arglistige Täuschung potentieller Erwerber entsprechender Fahrzeuge zu sehen ist. Dem Fahrzeugkäufer steht daher ein Schadensersatzanspruch aufgrund vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu.

Im zugrunde liegenden Fall machte die Käuferin eines VW Polo BlueMotion 1,2 l TDI gegenüber der Volkswagen AG als Herstellerin des Fahrzeugs Schadensersatz geltend. Die Klägerin hatte das Fahrzeug im Jahr 2010 zu einem Kaufpreis von 18.445 € einschließlich Überführungs- und Zulassungskosten bei einem Autohaus erworben. In das Fahrzeug ist herstellerseits ein Dieselmotor der Baureihe EA 189 eingebaut, der nach Auffassung des Kraftfahrt-Bundesamts bis zu der zwischenzeitlich erfolgten Installation eines Software-Updates über eine unzulässige Abschalteinrichtung verfügte. Unter Hinweis darauf, dass sie das Fahrzeug nicht gekauft hätte, wenn sie von dem Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung Kenntnis gehabt hätte, hat die Klägerin die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs sowie Erstattung von ihr für das Fahr-zeug entstandenen Kosten (insbesondere Wartungs- und Inspektionskosten) verlangt.
LG gibt Klage teilweise statt Das Landgericht gab der Klage teilweise - hinsichtlich der Hauptforderung in Höhe eines Betrages von 12.109,74 Euro Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs - statt und stützte einen entsprechenden Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte auf das Vorliegen einer sittenwidrigen Schädigung. Allerdings müsse sich die Klägerin die gezogenen Nutzungen anspruchskürzend anrechnen lassen.
OLG bejaht Anspruch auf Schadensersatz wegen sittenwidriger Schädigung Gegen das Urteil des Landgerichts wandten sich beide Parteien mit wechselseitig eingelegten Berufungen, die im Wesentlichen keinen Erfolg hatten. Das Saarländische Oberlandesgericht bejahte - ebenso wie das Landgericht - einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus § 826 BGB (sittenwidrige vorsätzliche Schädigung). In dem Inverkehrbringen eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüsteten und damit mangelbehafteten Motors sei eine arglistige Täuschung potentieller Erwerber entsprechender Fahrzeuge zu sehen. Hierin liege nämlich die konkludente - allerdings tatsächlich nicht zutreffende - Erklärung, dass die Fahrzeuge entsprechend ihrem objektiven Verwendungszweck im Straßenverkehr eingesetzt werden können und über eine Betriebserlaubnis verfügen, deren Fortbestand nicht auf Grund (versteckter) konstruktiver Eigenschaften der Fahrzeugmotoren gefährdet sei. Aus dem Umstand der Verheimlichung des Einsatzes der Software sowohl gegenüber den zuständigen Behörden als auch gegenüber potentiellen Kunden lasse sich schließen, dass die verantwortlichen Mitarbeiter in der Vorstellung gehandelt hätten, dass der Einsatz der Software im Falle des Bekanntwerdens zu Schwierigkeiten hinsichtlich der Typgenehmigung und der weiteren Betriebszulassung der entsprechend ausgestatteten Fahrzeuge führen werde. Ein solches Vorgehen sei als sittenwidrig zu bewerten, zumal die Täuschung offensichtlich nur dazu gedient haben könne, unter Ausnutzung der Fehlvorstellung potentieller Kunden hohe Absatzzahlen zu erreichen, durch Kostensenkung eine Gewinnmaximierung zu erzielen und sich Wettbewerbsvorteile zu sichern.
Fahrzeugkäufer muss sich Nutzungsvorteile anrechnen lassen Der der Klägerin entstandene Schaden bestehe darin, dass der abgeschlossene Kaufvertrag über das Fahrzeug nicht ihren berechtigten Erwartungen entsprochen habe. Dieser Schaden sei dadurch zu ersetzen, dass die Beklagte der Klägerin gegen Rücknahme des Fahrzeugs den Kaufpreis erstatte. In diesem Zusammenhang müsse sich die Klägerin allerdings die Vorteile, die sie durch die mehrjährige Nutzung des Fahrzeugs erlangt habe, anrechnen lassen. Das Oberlandesgericht hat im Hinblick darauf den Schadensersatzanspruch der Klägerin entsprechend (und zwar ausgehend von einer zu erwartenden Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs von 250.000 km) gekürzt und ist deren Argumentation, dass im Zusammenhang mit Ansprüchen auf Grund sittenwidriger Schädigung eine Vorteilsanrechnung generell zu unterbleiben habe, nicht gefolgt.
Kein Anspruch auf Erstattung von Kosten für Inspektions- und Wartungsarbeiten Auch hat das Oberlandesgericht einen Anspruch auf Erstattung von Kosten für Inspektions- und Wartungsarbeiten verneint, da diese keine unmittelbare Folge des "ungewollten" Vertragsschlusses über das streitgegenständliche Fahrzeug sind, sondern - vergleichsweise mit den Kraftstoffkosten für das Fahrzeug - der im Wege des Vorteilsausgleichs anzurechnenden uneingeschränkten Nutzung des Fahrzeugs durch die Klägerin gedient haben.

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Saarländisches Oberlandesgericht
  • Entscheidungsart:Urteil
  • Datum:14.02.2020
  • Aktenzeichen:2 U 128/19

Saarländisches Oberlandesgericht/ra-online (pm/kg)