Schulverweigerung begründet nicht zwingend Kindeswohlgefährdung

Weigern sich die Eltern ihr Kind in die Schule zu schicken, so begründet dies nicht zwingend eine Kindeswohlgefährdung. Die bestmögliche Förderung des Kindes sowie die Einhaltung der Schulpflicht ist kein Grund für ein gerichtliches Eingreifen gemäß § 1666 BGB. Dies hat das Oberlandesgericht Bamberg entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Weil die in Bayern wohnhaften Eltern sich weigerten ab dem Jahr 2017 ihr zu dem Zeitpunkt etwa 8 Jahre altes schulpflichtiges Kind in die Schule zu schicken, schaltete das Jugendamt das zuständige Familiengericht ein. Dies sah in der Schulverweigerung eine Kindeswohlgefährdung und machte den Eltern daher im Jahr 2020 Auflagen, die dafür sorgen sollten, dass das Kind wieder zur Schule geht. Dagegen richtete sich die Beschwerde der Eltern. Sie führten an, dass das Kind Heimunterricht in den Grundlagenfächern genieße. Zudem verfüge es über einen Freundeskreis und sei in einem Sportverein und der Jugendfeuerwehr tätig. Von einer Kindeswohlgefährdung sei daher nicht auszugehen.

Keine automatische Kindeswohlgefährdung bei Schulverweigerung Das Oberlandesgericht Bamberg entschied zu Gunsten der Eltern. Zwar könne es einen Missbrauch der elterlichen Sorge darstellen, der das Wohl des Kindes nachhaltig gefährde und Maßnahmen des Familiengerichts nach § 1666 BGB rechtfertige, wenn Eltern sich beharrlich weigern, ihre Kinder in die Schule zu schicken. Eine Schulverweigerung begründe aber nicht automatisch eine Kindeswohlgefährdung. Es komme vielmehr auf den Einzelfall an. Durch die Schulverweigerung müsse eine gegenwärtige oder unmittelbar bevorstehende, erhebliche Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes vorliegen. Dies könne hier, insbesondere nach Anhörung des nunmehr 12-jährigen Kindes, nicht festgestellt werden.

Keine Gefährdung der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes Das Kind sei nach Eindruck des Oberlandesgerichts nicht sozial isoliert und zeige kein auffälliges Verhalten. Die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes sei im Hinblick auf eine spätere selbstbestimmte Lebensführung als Mitglied der Gesellschaft durch den Heimunterricht und den sozialen Kontakten in einem Umfang gewährleistet, welche ein gerichtliches Einschreiten nach § 1666 BGB nicht zulasse.

Bestmögliche Förderung des Kindes und Einhaltung der Schulpflicht kein Grund für gerichtliches Einschreiten Nach Ansicht des Oberlandesgericht könne ein gerichtliches Einschreiten gemäß § 1666 BGB nicht damit begründet werden, dass das Kind bestmöglich gefördert werden soll. Auch für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen sei nicht Aufgabe des Familiengerichts. Vielmehr seien dafür die Schulbehörden zuständig.

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Oberlandesgericht Bamberg
  • Entscheidungsart:Beschluss
  • Datum:22.11.2021
  • Aktenzeichen:2 UF 220/20

Oberlandesgericht Bamberg, ra-online (vt/rb)