Versammlungsfreiheit: Aktivisten dürfen sich über Frankfurter Autobahn abseilen

Mit Beschluss hat die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main Auflagen der Stadt für die Demonstration/Abseilaktion von Klimaaktivisten für teilweise rechtswidrig erklärt.

Bereits unter dem Datum des 04.01.2022 hatte der Versammlungsleiter die Kundgebung zu dem Thema „Spruchbänder an Autobahnbrücken sind kein Verbrechen – Autobahnen schonen! Klimaschutz und Verkehrswende Strafverfahren gegen Aktivistis !“ für den 21.01.2022 von 14-15 Uhr auf der Straße Am Römerhof – Brücke über die Bundesautobahn BAB 648 – angemeldet.

Nach Eingang der Stellungnahme der Autobahn-GmbH vom 12.01.2022 verstrich noch eine Woche, bevor es zu einem Kooperationsgespräch zwischen der Versammlungsbehörde und dem Anmelder kam. Aufgrund dieses Gesprächs wurde letztendlich in den Nachmittagsstunden des gestrigen Tages die von dem Antragsteller geplante Abseilaktion und ein Anbringen von Transparenten, die in den Verkehrsraum der BAB hineinragen, verboten.

Das unmittelbar auf die Zustellung des Beschlusses eingelegte Rechtsmittel im vorläufigen Rechtsschutzverfahren hat nun teilweise Erfolg.

Abseilen darf nicht grundsätzlich verboten werden Das Gericht betrachtet das grundsätzliche Verbot des Abseilens im Rahmen der Interessensabwägung als nicht mit Artikel 8 Abs. 1 des Grundgesetzes vereinbar.

Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung sei anerkannt, dass die spezifische Widmung der Autobahnen für den überörtlichen Kraftfahrzeugverkehr deren Nutzung für Versammlungszwecke nicht generell ausschließe. Bei einer Interessensabwägung zwischen Verkehrsteilnehmer, die durch verkehrsregelnde Maßnahmen eine Beschränkung ihres Freiheitsgrundrechts folgend aus Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz hinnehmen müssen, und den Interessen der Antragsteller, Zeit, Ort und Art und Inhalt einer Veranstaltung selbst zu bestimmen, sei davon auszugehen, dass mit dem Motto der Versammlung ein unmittelbarer Bezug zum Versammlungsort gewährleistet werden müsse und eine Einschränkung der Rechte der Verkehrsteilnehmer hinzunehmen sei. Auch sei mit der Aktion eine Stellungnahme für diejenigen Personen verbunden, die sich wegen weiterer Aktionen auf Bundesautobahnen nun strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.

Wenn auch aufgrund des Zeitmangels nicht näher überprüfbar, sei davon auszugehen, dass hinreichend leistungsfähige Bedarfsumleitungen zur Verfügung stünden. Die kurze Strecke der Bundesautobahn A 648 vom Eschborner Dreieck bis zum Katharinenkreisel (5 km) könne für einen kurzen Zeitraum gesperrt werden. Eine Umleitung in beide Fahrtrichtungen sei möglich. Aufgrund des Zeitraumes von 14 bis 15 Uhr und des für einen Freitag typischen Feierabendverkehrs erachtet es das Gericht allerdings als notwendig, den Zeitraum für die Abseilaktion auf längstens 30 Minuten zu beschränken.

Nur am Rande erwähnten die Richterund Richterinnen, dass die Stadt Frankfurt, die mit dem Erlass ihrer Verfügung bis zum Nachmittag des 20.01.2022 zuwartete, zu der Entscheidungsverzögerung maßgeblich beigetragen habe. Eine derartige Verfahrensweise könne im Rahmen der Interessensabwägung zur Stattgabe des Rechtsschutzbegehrens führen.

    Angaben zum Gericht:

    • Gericht:Verwaltungsgericht Frankfurt am Main
    • Entscheidungsart:Beschluss
    • Datum:21.01.2022
    • Aktenzeichen:5 L 148/22.F

    Verwaltungsgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/pt)