Keine Zuständigkeit der Familiengerichte zur Überprüfung von Corona-Schutzmaßnahmen an Schulen

Der Bundesgerichtshof hat die Rechtsbeschwerde von zwei minderjährigen Schülern und ihrer Eltern gegen den Beschluss des Thüringer Oberlandesgerichts vom 14.05.2021 (1 UF 136/21) zurückgewiesen. Über Unterlassungsansprüche von Coronamaßnamen in der Schule haben die Verwaltungsgerichte zu entscheiden und nicht die Familiengerichte.

Die Eltern von zwei Kindern, die in Weimar zur Schule gehen, hatten beim Familiengericht Weimar angeregt, von Amts wegen zu deren Schutz ein Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung einzuleiten. Sie vertreten die Ansicht, das körperliche, seelische und geistige Wohl der Kinder und aller weiteren Kinder, die die gleichen Schulen wie ihre Söhne besuchen, sei aufgrund der Anordnungen zum Tragen eines Mund- und Nasenschutzes und zur Wahrung räumlicher Distanz gefährdet. Deshalb haben sie eine Rechtmäßigkeitsüberprüfung der diesen Anordnungen zugrundeliegenden Vorschriften, insbesondere der Dritten Verordnung über außerordentliche Sondermaßnahmen zur Eindämmung einer sprunghaften Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2, gültig ab 15.12.2020, zuletzt geändert am 12.3.2021, in den Raum gestellt.

In dem daraufhin eingeleiteten Eilverfahren hat das Familiengericht den Lehrern, den Schulleitungen sowie deren Vorgesetzten einstweilen untersagt, das Maskentragen, die Einhaltung von Mindestabständen und die Teilnahme an Schnelltests zur Feststellung des Virus SARS-CoV- 2 anzuordnen oder vorzuschreiben. Weiter gebot es den Leitungen und den Lehrern der von den beteiligten Kindern besuchten Schulen, den Präsenzunterricht aufrechtzuerhalten. Das Familiengericht ist bei seiner Entscheidung von der eigenen Zuständigkeit ausgegangen und hat seine Anordnungen mit einer gegenwärtigen Kindeswohlgefährdung durch die von den Eltern kritisierten Maßnahmen und dem Unvermögen der Eltern, diese Gefahr von den Kindern abzuwenden, begründet.

Auf die sofortige Beschwerde des Freistaats Thüringen hat das Thüringer Oberlandesgericht mit Beschluss vom 14.05.2021 den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht – Weimar vom 09.04.2021 aufgehoben, den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und das Verfahren eingestellt.

Zur Begründung hat das Oberlandesgericht ausgeführt, dass das Amtsgericht vor einer Sachentscheidung gehalten gewesen wäre, vorab über seine Zuständigkeit zu entscheiden. Für das mit der Anregung der Eltern verfolgte Ziel, zum Schutz der Kinder schulinterne Maßnahmen, wie die Anordnung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes und die Abstandsregeln, außer Kraft zu setzen und die Rechtmäßigkeit der diesen Anordnungen zugrundeliegenden Vorschriften zu überprüfen, fehle es an einer Regelungskompetenz des Familiengerichtes. Im Rahmen des schulrechtlichen Sonderstatusverhältnisses seien die zuständigen Behörden an die das Kindeswohl schützenden Grundrechte gebunden. Die gerichtliche Kontrolle dieses Behördenhandelns - auch hinsichtlich von Gesundheitsschutzmaßnahmen in den jeweiligen Schulen - obliege allein den Verwaltungsgerichten.

Eine Befugnis des Familiengerichts zum Erlass von Anordnungen zur Durchsetzung des Kindeswohls gegenüber Behörden bzw. Beamten dieser Behörden folge insbesondere nicht aus § 1666 Abs. 4 BGB. Behörden, Regierungen und sonstige Träger staatlicher Gewalt seien nämlich keine „Dritte“ im Sinne der Vorschrift, gegen die in Angelegenheiten der Personensorge Maßnahmen getroffen werden könnten.

Da eine Verweisung des von Amts wegen eingeleiteten Verfahrens an das Verwaltungsgericht nicht in Betracht kam, war die Entscheidung nach Ansicht des Thüringer Oberlandesgerichts aufzuheben und das Verfahren einzustellen.

Da das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof wegen der grundsätzlichen Bedeutung zugelassen hatte, musste sich der Bundesgerichtshof mit der in der Folge eingelegten Rechtsbeschwerde befassen.

Der Bundesgerichtshof hat die Auffassung des Thüringer Oberlandesgerichts, dass die Beschwerde des Freistaats Thüringen zulässig sei, bestätigt. Auch hat das Thüringer Oberlandesgericht den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten zu Recht für unzulässig erklärt, weil über die Unterlassungsansprüche der Schüler gegen die Schule die Verwaltungsgerichte zu entscheiden haben.

  • Vorinstanz:
    • Amtsgericht WeimarBeschluss[Aktenzeichen: 9 F 148/21]
    • Oberlandesgericht ThüringenBeschluss[Aktenzeichen: 1 UF 136/21]

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Bundesgerichtshof
  • Entscheidungsart:Beschluss
  • Datum:03.11.2021
  • Aktenzeichen:XII ZB 289/21

Thüringer Oberlandesgericht, ra-online (pm/pt)