Kein Abwehranspruch des Nachbarn wegen Grenzabstandsverletzung bei vergleichbaren Verstoß gegen Grenzabstandsvorschriften

Ein Nachbar steht kein Abwehranspruch wegen einer Grenzabstandsverletzung zu, wenn ihm ein vergleichbarer Verstoß zur Last gelegt werden kann. Dabei muss sich die gegenseitige Grenzabstandsverletzung nicht zentimetergenau entsprechen. Dies hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Eigentümer eines Grundstücks in Niedersachsen erhielten im Mai 2022 die Genehmigung zum Umbau und anschließenden Wohnnutzung eines ehemals als Scheune genutzten Gebäudes. Das Gebäude stand auf einer Länge von 12,32 m auf der Grenze zum Nachbargrundstück. Die Eigentümerin des Nachbargrundstücks sah durch die Baugenehmigung eine Verletzung der Grenzabstandsvorschriften und beantragte daher Eilrechtsschutz. Das Verwaltungsgericht Göttingen wies den Antrag zurück. Dagegen richtete sich die Beschwerde der Nachbarin.

Kein Abwehranspruch wegen gegenseitiger Grenzabstandsverletzungen Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg bestätigte die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die Nachbarin könne sich auf eine etwaige Verletzung des Grenzabstands nicht berufen, da ihr ein vergleichbarer Verstoß zur Last gelegt werden könne. Denn ein Gebäude auf ihrem Grundstück halte auf einer Länge von 8,80 m ebenfalls nicht den Grenzabstand ein. Die Grenzabstandsverletzungen entsprechen einander. Auf eine zentimetergenaue Entsprechung komme es nicht an.

Vergleichbarkeit gegenseitiger Grenzabstandsverletzungen anhand konkreter Auswirkungen Die Störung des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses sei anhand der konkreten Auswirkungen zu beurteilen, so das Oberverwaltungsgericht. Es komme insbesondere darauf an, welche Abstandsschatten diese Gebäudeteile auf das Grundstück des jeweils anderen werfen und in welcher Weise sie dadurch bei Würdigung der konkreten Verhältnisse diejenigen Belange beeinträchtigen, welche die Grenzabstandsvorschriften zu schützen bestimmt sind.

Gegenseitige Grenzabstandsverletzungen entsprechen sich Daran gemessen wiege die Inanspruchnahme der Grenze durch die Grundstückseigentümer auf einer größeren Länge nach Auffassung der Oberverwaltungsgerichts nicht schwerer als die Inanspruchnahme durch die Nachbarin. Es sei zu berücksichtigen, dass das Gebäude der Grundstückseigentümer keiner Nutzung des Nachbargrundstücks direkt gegenübersteht. Das grenzständige Gebäude der Nachbarin stehe dagegen einer dort bestehenden und von der Nutzungsänderung nicht betroffenen Wohnnutzung der Grundstückseigentümer gegenüber. Die Zwecke der Abstandsvorschriften, nämlich Belichtung, Besonnung und Belüftung sicherzustellen, beeinträchtige das Gebäude der Grundstückseigentümer nicht.

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Oberverwaltungsgericht Lüneburg
  • Entscheidungsart:Beschluss
  • Datum:30.11.2022
  • Aktenzeichen:1 ME 97/22

Oberverwaltungsgericht Lüneburg, ra-online (vt/rb)