Die vorbeugende Klage des Vereins Reporter ohne Grenzen gegen die Bundesrepublik Deutschland auf Unterlassung, dass seine mit Dritten über Messenger-Dienste oder auf andere Weise geführte Telekommunikation von dem Bundesnachrichtendienst (BND) mittels Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) überwacht wird, ist unzulässig. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden.
§ 11 Abs. 1a des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses
(G10) enthält die Befugnis für die Nachrichtendienste, in Endgeräte (Telefone, Computer etc.)
von Personen einzugreifen, um deren laufende und ruhende Kommunikation zu überwachen
und aufzuzeichnen. Es handelt sich bei dieser Quellen-TKÜ um eine besondere Durchführungsform von individuellen Maßnahmen der Beschränkung des Telekommunikationsgeheimnisses nach § 3 G10, die an einem bestimmten Endgerät einer Person und nicht an einem Übertragungsweg wie im Rahmen der strategischen Überwachung nach § 5 G10 ansetzt.
Verein Reporter ohne Grenzen befürchtet Überwachung durch Quellen-TKÜ
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der sich als Teil eines internationalen Netzwerks die
Dokumentation von Verstößen gegen die Presse- und Informationsfreiheit sowie die Hilfe für
Journalisten in Notlagen zum Ziel gesetzt hat. Er hat nach eigenen Angaben vor allem Kontakt
mit ausländischen Journalisten, die in denjenigen Themenbereichen und Gebieten recherchieren, in denen auch der BND seine Aufklärungsarbeit leistet. In Einzelfällen stehe er auch direkt in Kontakt zu Personen, die sich im Umfeld von extremistischen Vereinigungen und
Organisationen im In- und Ausland bewegten, welche ebenfalls im Fokus des BND stünden. Er
gehe daher davon aus, dass seine Kommunikation unmittelbar durch die Quellen-TKÜ auf seinen vereinseigenen Geräten überwacht werden könnte. Jedenfalls bestehe die Gefahr, dass
seine Kommunikationspartner mithilfe der Quellen-TKÜ überwacht werden und im Zuge dessen
mittelbar seine Kommunikation erfasst werden könnte. Da der BND erklärt habe, von den
Befugnissen des § 11 Abs. 1a G10 Gebrauch machen zu wollen, erhebe er vorbeugend Klage auf Unterlassung der unmittelbaren und mittelbaren Überwachung seiner Kommunikation im
Wege der Quellen-TKÜ.
Befürchtete Überwachung nicht hinreichend konkret dargelegt
Das Bundesverwaltungsgericht hat die auf Gewährung vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtete
Klage als unzulässig abgewiesen. Soweit sich das Unterlassungsbegehren auf die befürchtete
Überwachung der laufenden Kommunikation bezieht, ist bereits nach § 13 G10 die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes ausgeschlossen. Darüber hinaus ist die Klage
unstatthaft. Die Statthaftigkeit setzt voraus, dass das Gericht in der Lage ist, das drohende Verwaltungshandeln, dessen Unterlassen der Kläger begehrt, einer Rechtmäßigkeitsprüfung zu
unterziehen. Hierzu müsste sich die befürchtete Überwachung der Kommunikation des Klägers
mit Dritten über Messenger-Dienste etc. mittels der Quellen-TKÜ hinreichend konkret in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht abzeichnen. Dies ist nicht der Fall. Die Durchführung der Quellen-TKÜ auf vereinseigenen Geräten des Klägers ist nicht hinreichend konkret. Der Kläger trägt selbst nicht vor, dass seine Mitarbeiter im Verdacht stehen könnten, Straftaten im Sinne von § 3 Abs. 1 G10 zu begehen. Ebenso wenig zeichnet sich hinreichend konkret ab, unter welchen tatsächlichen Voraussetzungen die ausländischen Kommunikationspartner des Klägers derartigen Maßnahmen wegen des Verdachts der Begehung solcher Straftaten mit Inlandsbezug ausgesetzt sein könnten.
Unterlassungsbegehren hätte zunächst an den BND gerichtet werden müssen
Schließlich erweist sich die Klage auch deshalb als unzulässig, weil der Kläger sich nicht vor
Klageerhebung mit seinem Unterlassungsbegehren an den BND gewandt hat. Das Erfordernis
der behördlichen Vorbefassung gebietet es, sich vor einer Inanspruchnahme der Gerichte mit
einem Begehren zunächst an die Verwaltung zu richten. Dies hat der Kläger unterlassen und
damit dem BND die Möglichkeit genommen, das Unterlassungsbegehren vorprozessual zu
prüfen.
Angaben zum Gericht:
- Gericht:Bundesverwaltungsgericht
- Entscheidungsart:Urteil
- Datum:25.01.2023
- Aktenzeichen:6 A 1.22