Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat entschieden, dass der Kfz-Freibetrag bei der Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II auch dann nicht mehrfach beansprucht werden kann, wenn mehrere erwerbsfähige Familienmitglieder nur ein gemeinsames Auto haben.
Im zugrunde liegenden Streitfall klagte eine Familie aus Wolfsburg, die ihren Lebensunterhalt überwiegend aus dem Einkommen des Vaters (geb. 1963) bestritt. Die Mutter hatte einen Minijob, die volljährige Tochter eine Ausbildungsstelle. Als der Vater den Job verlor, bezog er zunächst
Arbeitslosengeld I. Nach dem Ende des Leistungsbezugs beantragte er Arbeitslosengeld II.
Jobcenter lehnt Antrag auf ALG II ab
Das Jobcenter lehnte den Antrag der Familie ab, da verwertbares Vermögen oberhalb der
Vermögensfreibeträge von 16.050 Euro vorhanden war: Die Eltern verfügten über zwei
Lebensversicherungen im jeweiligen Wert von ca. 7.800 Euro. Außerdem hatte der Vater vor
eineinhalb Jahren, als er noch arbeitete, einen neuen VW Golf gekauft. Der Wagen hatte einen aktuellen Zeitwert von ca. 11.000 Euro. Das Jobcenter wollte jedoch nur einen Kfz-
Freibetragswert von 7.500 Euro als angemessen akzeptieren; die Differenz müsse zunächst für
den Lebensunterhalt verwendet werden. Demgegenüber vertraten die Kläger die Auffassung,
dass sich der Kfz-Freibetrag für das gemeinsame Auto bei zwei erwachsenen Leistungsberechtigten verdoppele.
Unterschiedliche Behandlung von einem teuren und zwei günstigen Fahrzeugen ist kein Wertungswiderspruch
Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen bestätigte die Entscheidung des Jobcenters. Zur Begründung verwies das Gericht auf den Gesetzeswortlaut, der an ein Fahrzeug für jede erwerbsfähige Person anknüpft. Die unterschiedliche Behandlung von einem teuren und zwei günstigen Fahrzeugen sei auch kein Wertungswiderspruch. Denn Sinn und Zweck der Eigentumsprivilegierung bei Kraftfahrzeugen sei es, den Grundsicherungsempfängern die Aufnahme bzw. Fortführung von Erwerbstätigkeiten zu ermöglichen, zu deren Ausübung ein Kfz erforderlich ist. Hierfür reiche ein angemessenes Kfz pro Person, wobei das Gesetz keine abstrakten oder kumulativen Freibeträge vorsehe, sondern auf das Kfz als solches abstelle. Im Interesse der Arbeitsaufnahme werde die Mobilität geschützt und nicht das Vermögen.
- Eine weitere Entscheidung zu diesem Thema:
- Höherwertige Mittelklassefahrzeuge sind bei ALG-II-Empfängern als Vermögen zu berücksichtigen ( Sozialgericht AachenUrteil[Aktenzeichen: S 9 AS 31/05] )
- Händlereinkaufspreis eines Autos für Verwertungsschutz bei Hartz IV-Leistungen nicht relevant ( Landessozialgericht Sachsen-AnhaltUrteil[Aktenzeichen: L 5 AS 45/06] )
- Hartz-IV-Empfängerin darf Vermögen nicht "für schlechte Zeiten" verheimlichen ( Landessozialgericht Baden-WürttembergUrteil[Aktenzeichen: L 7 AS 758/13] )
Angaben zum Gericht:
- Gericht:Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
- Entscheidungsart:Beschluss
- Datum:23.08.2017
- Aktenzeichen:L 11 AS 35/17