BAG: Erkrankung nach In-vitro-Fertilisation kann Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ausschließen

Unterzieht sich eine Arbeitnehmerin einer In-Vitro-Fertilisation, kann eine dadurch bedingte Erkrankung den Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gemäß § 3 Abs. 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EntgFG) ausschließen. Denn wird durch die Maßnahme willentlich und vorhersehbar die Erkrankung herbeigeführt oder wird die Maßnahme nicht nach anerkannten medizinischen Standards oder ohne ärztliche Anordnung ausgeführt, wird die Arbeitsunfähigkeit schuldhaft herbeigeführt. Dies hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Jahr 2014 unterzog sich eine 42-jährige Frau einer In-vitro-Fertilisation, da ihr Mann nur eingeschränkt zeugungsfähig war. Aufgrund der Maßnahme erhielt die Frau eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, so dass sie ihren Beruf als Erzieherin in einer Kindertagesstätte nicht wahrnahm. Nachdem der Arbeitgeber vom Grund der Arbeitsunfähigkeit erfuhr, verlangte er die Rückzahlung der geleisteten Entgeltfortzahlung. Er vertrat die Ansicht nicht zur Entgeltfortzahlung verpflichtet gewesen zu sein, da die Arbeitnehmerin die Erkrankung selbst herbeigeführt habe. Der Arbeitgeber kürzte daher die Gehaltszahlung an die Arbeitnehmerin. Damit war die Arbeitnehmerin nicht einverstanden und erhob Klage auf Zahlung des rückständigen Lohns.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht gaben Klage statt Sowohl das Arbeitsgericht Elmshorn als auch das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein gaben der Klage statt. Dagegen richtete sich die Revision des Arbeitgebers.

Bundesarbeitsgericht verwies auf mögliche schuldhafte Herbeiführung der Arbeitsunfähigkeit Das Bundesarbeitsgericht entschied zu Gunsten des Arbeitsgebers und hob daher die Entscheidung der Vorinstanz auf. Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung gemäß § 3 Abs. 1 EntgFG bestehe für die Zeit einer Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen, wenn der Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert sei, ohne dass ihm ein Verschulden treffe. Zwar könne eine In-vitro-Fertilisation zu einer die Arbeitsunfähigkeit ausschließenden Erkrankung führen. Dabei könne aber der Arbeitnehmerin ein Verschulden treffen.

Verschulden an Arbeitsunfähigkeit bei In-vitro-Fertilisation Der Arbeitnehmerin treffe ein Verschulden an der infolge einer In-vitro-Fertilisation entstehenden Arbeitsunfähigkeit, so das Bundesarbeitsgericht, wenn durch die Maßnahme willentlich und vorhersehbar die Erkrankung herbeigeführt oder die Maßnahme nicht nach anerkannten medizinischen Standards oder ohne ärztliche Anordnung ausgeführt wurde und die Arbeitnehmerin dies ohne weiteres habe erkennen können oder mit ihrem Wissen geschehen sei. Demnach sei ein Verschulden an der Erkrankung nur ausgeschlossen, wenn die In-Vitro-Fertilisation nach allgemein anerkannten medizinischen Standards vom Arzt oder auf ärztliche Anordnung vorgenommen werde und eine Erkrankung auftrete, mit deren Eintritt nicht habe gerechnet werden müssen.

Zurückweisung des Falls an Landesarbeitsgericht Das Bundesarbeitsgericht wies den Fall an das Landesarbeitsgericht zurück, da nach den bisherigen Feststellungen nicht beurteilt werden könne, ob der Arbeitnehmerin ein Verschulden vorzuwerfen sei. Zunächst müsse die Arbeitnehmerin Zeitpunkt und Ablauf der In-vitro-Fertilisation unter Angabe der im Einzelnen vorgenommenen Maßnahmen und Eingriffe sowie ihrer Folgen darlegen.

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Bundesarbeitsgericht
  • Entscheidungsart:Urteil
  • Datum:26.10.2016
  • Aktenzeichen:5 AZR 167/16

Bundesarbeitsgericht, ra-online (vt/rb)