Verfassungsbeschwerde auf effektiven Rechtsschutz im Fall einer Organtransplantation erfolglos

Das Bundesverfassungsgericht hat bekräftigt, dass es mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes vereinbar ist, die Zulässigkeit eines Rechtsschutzbegehrens vom Vorliegen eines schutzwürdigen Interesses abhängig zu machen. Die Beschwerdeführerin hatte mit ihrer Verfassungsbeschwerde insbesondere gerügt, durch die fachgerichtliche Verneinung des Rechtsschutzinteresses in ihrem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) gegen eine Änderung ihres Status auf der Warteliste eines Transplantationszentrums in "nicht transplantabel" verletzt worden zu sein.

Die Beschwerdeführerin des zugrunde liegenden Verfahrens benötigte eine Spenderniere und wurde deshalb auf der Warteliste eines Transplantationszentrums geführt. Aufgrund von Differenzen erklärte der chirurgische Leiter des Transplantationszentrums mit einem an den Ehemann der Beschwerdeführerin gerichteten Schreiben, dass eine vertrauensvolle Behandlung der Beschwerdeführerin nicht mehr möglich sei. Aus diesem Grund werde die Beschwerdeführerin ab sofort als "nicht transplantabel" gemeldet. Die Beschwerdeführerin erhob Klage auf Feststellung, dass die Meldung als "nicht transplantabel" rechtswidrig gewesen sei. Nachdem sie durch ein anderes Transplantationszentrum eine neue Niere erhalten hatte, wies das Verwaltungsgericht die Klage mit Hinweis auf ihr fehlendes Rechtsschutzinteresse als unzulässig ab. Der hiergegen gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung hatte keinen Erfolg.
Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung anzunehmen ist. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG enthält ein Grundrecht auf wirksamen und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt. Es ist mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes grundsätzlich vereinbar, wenn die Fachgerichte ein Rechtsschutzinteresse nur so lange als gegeben ansehen, wie ein gerichtliches Verfahren dazu dienen kann, eine gegenwärtige Beschwer auszuräumen, einer Wiederholungsgefahr zu begegnen oder eine fortwirkende Beeinträchtigung durch einen beendeten Eingriff zu beseitigen. Das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz kann es darüber hinaus gebieten, die Möglichkeit einer gerichtlichen Klärung in Fällen gewichtiger, allerdings in tatsächlicher Hinsicht überholter Grundrechtseingriffe zu eröffnen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann.
Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz gebietet vorliegend keine gerichtliche Prüfung der angegriffenen Maßnahme Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass die Fachgerichte die Klage der Beschwerdeführerin mit der Begründung abgewiesen haben, dass es an einem Fortsetzungsfeststellungsinteresse mangele. Das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz gebietet hier keine gerichtliche Prüfung der angegriffenen Maßnahme trotz Fortfalls des ursprünglichen Rechtsschutzziels. Es ist nicht erkennbar, dass gegen die angegriffene Maßnahme im hierfür verfügbaren Zeitraum kein wirksamer Rechtsschutz zu erlangen war. In einem Fall wie dem vorliegenden ist bei Klageerhebung gegen die Meldung als "nicht transplantabel" die begehrte Statusänderung weiterhin möglich.
Gerichte müssen bei Versagung vorläufigen Rechtsschutzes damit verbundene Folgen für den betroffenen Bürger abwägen Der Gefahr, dass eine Entscheidung in der Hauptsache aus gesundheitlichen Gründen für den Betroffenen zu spät käme, lässt sich mit dem Instrument des einstweiligen Rechtsschutzes begegnen. Der in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verankerte Anspruch des Bürgers auf eine tatsächliche und rechtlich wirksame Kontrolle verpflichtet die Gerichte, bei ihrer Entscheidungsfindung diejenigen Folgen zu erwägen, die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes für den Bürger verbunden sind. Für den hier betroffenen Bereich der Zuteilung von Organen kann die Pflicht des Staates, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) zu stellen, es gebieten, einem an einer lebensbedrohlichen oder tödlichen Erkrankung leidenden Betroffenen einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren, auch wenn hiermit gegebenenfalls eine Vorwegnahme der Hauptsache verbunden ist.
Fachgerichte müssen in dringenden Fällen auch bei unklarer Rechtsweglage binnen kürzester Zeit Eilrechtsschutz gewähren Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, dass es völlig unklar sei, vor welchem Gericht um - gegebenenfalls auch einstweiligen - Rechtsschutz nachzusuchen sei, ist die Rechtslage nicht abschließend geklärt. Das Bundesverfassungsgericht hat aber bereits entschieden, dass es dem Gebot einer Gewährleistung wirkungsvollen Rechtsschutzes zuwiderläuft, solche Schwierigkeiten auf dem Rücken des Rechtsuchenden auszutragen. Diesen Schwierigkeiten ist dadurch Rechnung getragen, dass der Rechtsweg durch verbindliche Verweisung an das zuständige Gericht einer Klärung zugeführt wird (vgl. insbesondere § 17a GVG). Die Fachgerichte müssen in dringenden Fällen binnen kürzester Zeit Eilrechtsschutz gewähren und diesen auch bei unklarer Rechtsweglage durch Verweisung sicherstellen. Warum dies hier nicht möglich gewesen sein sollte, ist nicht ersichtlich.

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Bundesverfassungsgericht
  • Entscheidungsart:Beschluss
  • Datum:06.07.2016
  • Aktenzeichen:1 BvR 1705/15

Bundesverfassungsgericht/ra-online