BAG: Ablehnung eines transsexuellen Bewerbers kann Entschädigungsanspruch aufgrund Benachteiligung wegen "Geschlechts" oder "sexueller Identität" begründen

Wird ein transsexueller Bewerber aufgrund seiner Transsexualität und damit wegen seines "Geschlechts" oder "sexuellen Identität" abgelehnt, so kann dies einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) begründen. Dies setzt gemäß § 22, § 7 Abs. 1 AGG unter anderem voraus, dass der Bewerber Indizien vorträgt und im Bestreitenfall beweist, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, er sei vom Arbeitgeber als transsexueller Mensch wahrgenommen und deshalb benachteiligt worden. Dies hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine transsexuelle Person machte aufgrund einer abgelehnten Bewerbung einen Entschädigungsanspruch geltend. Sie führte an, dass sie im Rahmen des Vorstellungsgesprächs im September 2012 von einem Mitarbeiter des Unternehmens nicht als Frau angesehen worden sei und somit ihre geschlechtliche Identität angezweifelt habe. Sie sei deshalb herabgewürdigt worden. Da das Unternehmen eine Entschädigungszahlung ablehnte, erhob die transsexuelle Person Klage.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht wiesen Klage ab Sowohl das Arbeitsgericht Mainz als auch das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz haben die Klage abgewiesen. Für das Landesarbeitsgericht stand fest, dass die Klägerin nicht wegen ihrer Transsexualität benachteiligt worden sei. Das Verhalten des Mitarbeiters habe nämlich nicht den Schluss zugelassen, dass er die Klägerin überhaupt als transsexuell wahrgenommen habe. Dies habe die Klägerin auch nicht behauptet. Gegen diese Entscheidung legte sie Revision ein.

Bundesarbeitsgericht hält Vermutung zur Benachteiligung wegen Transsexualität für begründet Das Bundesarbeitsgericht entschied zu Gunsten der Klägerin, hob daher die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts auf und wies den Fall zur Neuverhandlung zurück. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts müsse die Klägerin nicht behaupten, für den Mitarbeiter sei ihre Transsexualität bekannt gewesen. Sie habe vielmehr gemäß § 22, § 7 Abs. 1 AGG nur Indizien vortragen und im Bestreitenfall beweisen müssen, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, sie sei vom Mitarbeiter als transsexueller Mensch wahrgenommen und deshalb benachteiligt worden. Dem sei die Klägerin nachgekommen.

Fehlende Würdigung wesentlichen Vorbringens der Klägerin Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts habe das Landesarbeitsgericht wesentliches Vorbringen der Klägerin nicht gewürdigt. Sie habe sich darauf berufen, dass der Mitarbeiter ihre geschlechtliche Identität angezweifelt und sie somit nicht als Frau wahrgenommen habe. Die Klägerin führte dazu aus, dass der Mitarbeiter sie zu Beginn des Vorstellungsgesprächs wortlos angesehen und dann zweimal gesagt habe, dass doch eine Frau habe kommen wollen, obwohl sie ihm bereits beim ersten Mal gesagt habe, dass sie die angekündigte Frau sei. Daraufhin habe der Mitarbeiter hinter eine Tür geschaut und so getan, als ob er eine Frau suche. Erst nach längerem Zögern habe eine halbherzige Besichtigung des Unternehmens stattgefunden. Diese Umstände seien geeignet gewesen, die Vermutung zu begründen, der Mitarbeiter habe die Klägerin nicht ihrem Geschlecht zugehörig und damit als transsexuelle wahrgenommen und sie deshalb benachteiligt.

  • Vorinstanz:
    • Arbeitsgericht MainzUrteil[Aktenzeichen: 3 Ca 234/13]
    • Landesarbeitsgericht Rheinland-PfalzUrteil[Aktenzeichen: 7 Sa 501/13]

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Bundesarbeitsgericht
  • Entscheidungsart:Urteil
  • Datum:17.12.2015
  • Aktenzeichen:8 AZR 421/14

Bundesarbeitsgericht, ra-online (vt/rb)