Kommt es zwischen einem links in ein Grundstück einbiegenden Fahrzeug und einem zur gleichen Zeit links überholenden Fahrzeug zu einem Zusammenstoß, so spricht der Beweis des ersten Anscheins für einen Verstoß des Linksabbiegers gegen die Sorgfaltspflichten des § 9 Abs. 5 StVO. Dies geht aus einer Entscheidung des Landgerichts Hamburg hervor.
In dem zugrunde liegenden Fall kam es zwischen einem links in ein Grundstück abbiegenden Lkw und einem zur gleichen Zeit links überholenden Fahrzeug zu einer Kollision. Der Fahrzeugführer klagte anschließend auf Zahlung von Schadensersatz. Der Halter des Lkw war damit nicht einverstanden. Er warf dem überholenden Fahrzeugführer einen Sorgfaltsverstoß vor. Der Fahrzeugführer hätte erkennen können, dass er beabsichtigt habe, links in das Grundstück abzubiegen, da er seine Geschwindigkeit verringert habe. Ein Überholen sei daher unzulässig gewesen.
Anspruch auf Schadensersatz
Das Landgericht Hamburg entschied zugunsten des Klägers. Ihm habe ein Anspruch auf Schadensersatz zugestanden, da der Beklagte durch einen Verstoß gegen § 9 Abs. 5 StVO den Unfall verschuldet habe.
Anscheinsbeweis sprach für Sorgfaltsverstoß des Linksabbiegers
Bei Zusammenstößen zwischen einem links in eine Grundstückseinfahrt abbiegenden Kfz und einem in gleicher Richtung fahrenden, den Linksabbieger überholenden Pkw spreche nach Ansicht des Landgerichts der Beweis des ersten Anscheins wegen der dem Linksabbieger abverlangten äußersten Sorgfalt für ein Verschulden des Linksabbiegers. So habe der Fall hier gelegen. Nach der Lebenserfahrung lasse sich der Unfall auf die Außerachtlassung der nach § 9 Abs. 5 StVO erforderlichen besonderen Sorgfalt beim Abbiegen schließen.
Kein Mitverschulden aufgrund Überholens trotz unklarer Verkehrslage
Ein Mitverschulden sei dem Kläger nicht anzulasten, so das Landgericht. Das Überholen sei nicht aufgrund einer unklaren Verkehrslage im Sinne von § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO unzulässig gewesen. Eine unklare Verkehrslage liege vor, wenn der Überholende nach den gegebenen Umständen mit einem ungefährlichen Überholvorgang nicht rechnen dürfe. So habe der Fall hier nicht gelegen. Zwar habe sich der Lkw vor dem Abbiegevorgang verlangsamt. Daraus habe der Kläger aber nicht auf ein beabsichtigtes Linksabbiegen schließen müssen, da es für eine Reduzierung der Geschwindigkeit eine Vielzahl harmloser Ursachen geben könne.
- Eine weitere Entscheidung zu diesem Thema:
- Verkehrsunfall beim Überholvorgang: Überholender muss grundsätzlich nicht mit plötzlichem Linksabbiegen des Überholenden rechnen ( Oberlandesgericht Frankfurt am MainUrteil[Aktenzeichen: 7 U 189/13] )
- OLG Hamm zur Haftung bei einem Unfall zwischen einem Rechtsabbieger und einem ihn dabei rechts überholenden Fahrzeug ( Oberlandesgericht HammUrteil[Aktenzeichen: 9 U 88/13 und 9 U 89/13] )
Angaben zum Gericht:
- Gericht:Landgericht Hamburg
- Entscheidungsart:Urteil
- Datum:23.01.2015
- Aktenzeichen:302 O 220/14