BGH: Räum- und Streupflicht kann durch Gemeindesatzung nicht auf einzelne Glättestellen erweitert werden

Die winterliche Räum- und Streupflicht von Grundstückseigentümern besteht nur bei Vorliegen einer allgemeinen Glätte. Einzelne Glättestellen können die Winterdienstpflicht nicht begründen. Eine Gemeindesatzung zum Winterdienst ist regelmäßig so zu verstehen, dass keine Erweiterung der Verkehrssicherungspflicht gewollt ist. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Januar 2013 kam eine Fußgängerin auf ihrem Weg zur Arbeit gegen 7.20 Uhr an einem Hausgrundstück vorbei. Der Gehweg vor dem Haus war bis auf eine 1 x 1 m große Stelle trocken und geräumt. Auf dieser einzelnen Glättestelle, die fast die gesamte Breite des Gehwegs einnahm, rutschte die Fußgängerin aus, kam zu Fall und brach sich das linke Handgelenk. Ihre Arbeitgeberin klagte anschließend wegen des krankheitsbedingten Verdienstausfalls gegen die Eigentümer des Grundstücks auf Zahlung von Schadensersatz.

Amtsgericht wies Schadensersatzklage ab, Landgericht gab ihr statt Während das Amtsgericht Wipperfürth die Schadensersatzklage abwies, gab das Landgericht Köln ihr statt. Die Grundstückseigentümer seien ihrer Räum- und Streupflicht nicht nachgekommen. Unerheblich sei, dass nur eine vereinzelte Glättestelle vorhanden war. Denn die Gemeindesatzung knüpfe für die Winterdienstpflicht nicht an das Vorliegen einer allgemeinen Glättebildung an. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Revision der Grundstückseigentümer.

Bundesgerichtshof verneint ebenfalls Schadensersatzanspruch Der Bundesgerichtshof entschied zu Gunsten der Grundstückseigentümer und hob daher die Entscheidung des Landgerichts auf. Der Arbeitgeberin der verunfallten Fußgängerin stehe kein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 823 BGB zu. Denn die Grundstückseigentümer haben nicht gegen die Räum- und Streupflicht und somit gegen eine Verkehrssicherungspflicht verstoßen.

Räum- und Streupflicht setzt allgemeine Glättebildung voraus Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs setze sie winterliche Räum- und Streupflicht eine konkrete Gefahrenlage, dass heißt eine Gefährdung durch Glättebildung bzw. Schneebelag, voraus. Grundvoraussetzung sei eine allgemeine Glätte und nicht nur das Vorhandensein einzelner Glättestellen (vgl. BGH, Urt. v. 12.06.2012 - VI ZR 138/11 - und BGH, Beschl. v. 21.01.1982 - III ZR 80/81 -). So lag der Fall hier aber.

Keine Erweiterung der Verkehrssicherungspflicht durch Gemeindesatzung Zwar sei das Erfordernis einer allgemeinen Glätte in der Gemeindesatzung zum Winterdienst nicht ausdrücklich genannt, so der Bundesgerichtshof. Daraus könne aber nicht der Schluss gezogen werden, dass eine Erweiterung der Verkehrssicherungspflicht für Grundstückseigentümer gewollt sei. Die Satzung müsse vielmehr dahingehend verstanden werden, dass keine Leistungspflichten begründet werden, die über die Grenze der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit hinausgehen. Zudem sei zu beachten, dass die Gemeinde keine Räum- und Streupflichten für Grundstückseigentümer begründen könne, die über die Anforderungen der sie selbst treffenden Verkehrssicherungspflicht hinausgehen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 31.03.2014 - 9 U 143/13 -).

  • Vorinstanz:
    • Amtsgericht WipperfürthUrteil[Aktenzeichen: 9 C 249/13]
    • Landgericht KölnUrteil[Aktenzeichen: 11 S 158/15]
  • Gleichlautende Entscheidung:
    • Oberlandesgericht BrandenburgUrteil[Aktenzeichen: 2 U 8/07]
    • Oberlandesgericht KarlsruheUrteil[Aktenzeichen: 7 U 237/07]

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Bundesgerichtshof
  • Entscheidungsart:Urteil
  • Datum:14.02.2017
  • Aktenzeichen:VI ZR 254/16

Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)