Fahrgast versucht flüchtenden Schwarzfahrer aufzuhalten: Schwarzfahrer haftet für erhebliche Verletzungen des Fahrgastes aufgrund Zusammenpralls

Stellt sich ein Fahrgast einen flüchtenden Schwarzfahrer entgegen und kommt es dadurch zu einem Zusammenprall, wobei sich der Fahrgast erheblich verletzt, so haftet dafür der Schwarzfahrer. Der Fahrgast muss sich aber ein erhebliches Mitverschulden gemäß § 254 Abs. 1 BGB anlasten lassen. Dies hat das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im August 2014 wurde ein Schwarzfahrer auf einem Hauptbahnhof von einem Polizeibeamten festgenommen und zu einer Wachstation der Bundespolizei gebracht. Der Schwarzfahrer konnte sich jedoch losreißen und flüchtete über den Bahnsteig. Ein Fahrgast des Zuges bemerkte dies und stellte sich dem Flüchtenden entgegen. Es kam zu einem Zusammenprall, wodurch beide in das Gleisbett stürzten. Der Fahrgast erlitt dadurch erhebliche Verletzungen. Er klagte deswegen gegen den Schwarzfahrer auf Zahlung von Schadensersatz.

Landgericht wies Klage ab Das Landgericht Gießen wies die Schadensersatzklage ab. Seiner Auffassung nach habe sich der Kläger bewusst selbst gefährdet. Die von ihm verursachte Gefahr für Leib und Leben beider Beteiligten habe gegenüber dem Vergehen des Beklagten völlig außer Verhältnis gestanden. Zudem habe sich der Kläger nicht auf das Jedermann-Festnahmerecht aus § 127 StPO berufen können. Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Berufung ein.

Oberlandesgericht bejaht Schadensersatzanspruch Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. bejahte einen Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB und hob daher die Entscheidung des Landgerichts auf. Der Anspruch entfalle nicht deswegen, dass der Kläger sich dem Beklagten in den Weg stellte. Dies sei nur unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens zu berücksichtigen.

Erhebliches Mitverschulden des Fahrgastes Dem Kläger sei ein erhebliches Mitverschulden gemäß § 254 Abs. 1 BGB anzulasten. Er habe damit rechnen müssen, dass der Beklagte nicht mehr auf die Bewegung des Klägers reagieren könne und es deshalb zu einem heftigen Aufprall kommen würde. Dem Kläger sei aber zugute zu halten, dass er spontan reagiert und kaum Überlegungszeit gehabt habe, die Schwere des verfolgen Delikts und den genauen Umfang des Risikos gegeneinander abzuwägen. Andererseits habe er erkennen müssen, dass er die Risiken in der kurzen Zeit nur unzureichend beurteilen könne und sein Eingreifen nicht zwingend notwendig war, da sich bereits Polizeibeamte um die Verfolgung kümmerten. Nicht angelastet könne dem Kläger, dass er sich als Privatmann nicht an der Verfolgung des Beklagten hätte beteiligen dürfen. Auch auf das Bestehen eines Festnahmerechts nach § 127 StPO komme es nicht an. Dem Oberlandesgericht erschien es insgesamt sachgerecht, dass der Kläger zwei Drittel seines Schadens selber zu tragen habe.

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Oberlandesgericht Frankfurt am Main
  • Entscheidungsart:Urteil
  • Datum:25.04.2017
  • Aktenzeichen:10 U 173/15

Oberlandesgericht Frankfurt a.M., ra-online (vt/rb)