Landratsamt muss Maßnahmen zur Unterbindung von Lärm aus Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge ergreifen

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat das Landratsamt Esslingen als Vertreter des Landes Baden-Württemberg dazu verurteilt, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um Lärmbelästigungen in Form von lauter Musik, übermäßig lauten Unterhaltungen und Geschrei zur Nachtzeit (22:00 - 06:00 Uhr), welche durch die Bewohner einer Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge verursacht werden, zu unterbinden.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Seit Herbst 2015 waren in einem Zweifamilienhaus, das vom Landkreis Esslingen zur Unterbringung von Flüchtlingen angemietet wurde, Asylbewerber untergebracht. Derzeit sind zehn Personen untergebracht; die höchste Belegungsrate betrug bisher 23 Personen. Küche, Essbereich bzw. Gemeinschaftsräume der Unterkunft befinden sich im Erd- und Obergeschoss jeweils auf der dem Grundstück der Kläger zugewandten Seite.
Kläger verweisen auf unzumutbare Lärmbelästigungen Die Kläger machten geltend, dass von der Flüchtlingsunterkunft weit über das hinnehmbare Maß unzumutbare Lärmbelästigungen vor allem nachts ausgingen. Sie hätten deshalb einen öffentlich-rechtlichen Abwehr- und Unterlassungsanspruch (nach §§ 1004 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 906 BGB analog). Sie begehrten vom beklagten Land, die andauernden Ruhestörungen und Lärmbelästigungen, insbesondere in den Nachtstunden (von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr) in Form von lauter Musik bei offenen Fenstern sowie lautstarken Unterhaltungen und Geschrei zu unterbinden.
Land hält Geräuscheinwirkungen für sozialadäquat und zumutbar Das beklagte Land trug demgegenüber vor, dass die Voraussetzungen eines öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruches nicht vorlägen. Die Geräuscheinwirkungen bewegten sich vorliegend durchaus im Bereich des Ortsüblichen und seien sozialadäquat sowie zumutbar. Auch habe das beklagte Land alles Zumutbare unternommen, um eine Entspannung der nachbarlichen Verhältnisse herbeizuführen.
Land muss sich von den Bewohnern der Flüchtlingsunterkunft ausgehende Störungen zurechnen lassen Das Verwaltungsgericht Stuttgart führte in seiner Entscheidung aus, dass das Landratsamt Esslingen zum Ergreifen geeigneter lärmmindernder Maßnahmen verpflichtet sei, weil es sich die von den Bewohnern der Flüchtlingsunterkunft ausgehenden Störungen zurechnen lassen müsse. Dies liege in einer unglücklichen Standortentscheidung und dem Unterbleiben eines Baugenehmigungsverfahrens begründet, welches gerade dem Erkennen von Konfliktpotentialen und dem Ergreifen eventuell erforderlicher lärmmindernder baulicher Maßnahmen diene. Auf dem Grundstück der Unterkunft sei allein die Nutzung eines Zweifamilienwohnhauses genehmigt. Die durchgeführte Beweisaufnahme habe jedoch ergeben, dass es jedenfalls zu Beeinträchtigungen der Kläger komme, die über die bei einem Zweifamilienwohnaus üblicherweise auftretenden Beeinträchtigungen hinausgingen.

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Verwaltungsgericht Stuttgart
  • Entscheidungsart:Urteil
  • Datum:11.06.2019
  • Aktenzeichen:2 K 6575/16

Verwaltungsgericht Stuttgart/ra-online (pm/kg)