Hausfriedensbruch durch Eindringen von Tierschützern in einen Schweinezuchtbetrieb zur Dokumentation von Gesetzesverstößen nicht strafbar

Dringen Tierschützer in einen Schweinezuchtbetrieb ein, um Verstöße gegen den Tierschutz zu dokumentieren, ist der damit verbundene Hausfriedensbruch gemäß § 34 StGB gerechtfertigt. Dies gilt aber nur, wenn die Gesetzesverstöße bekannt sind und die Behörden trotz dessen nichts unternehmen. Dies hat das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt entschieden.

In dem zugrunde liegenden Fall wurden zwei Tierschützer wegen Hausfriedensbruch angeklagt, weil sie im Jahr 2013 in einen Schweinezuchtbetrieb eindrangen, um Verstöße gegen die Tierschutznutztierhaltungsverordnung zu dokumentieren. Kenntnis von den Verstößen erhielten sie von einer anonymen Quelle. Zu der Maßnahme entschieden sich die Tierschützer, weil die zuständigen Behörden sich trotz erfolgter Anzeigen weigerten, etwas zu unternehmen. Die während des nächtlichen Besuchs angefertigten Bildaufnahmen wurden dem Landwirtschafts- und Umweltministerium sowie dem Landesverwaltungsamt von Sachsen-Anhalt vorgelegt. Zudem erstatteten die beiden Tierschützer Strafanzeige.

Amtsgericht und Landgericht sprechen Tierschützer frei Sowohl das Amtsgericht Haldensleben als auch das Landgericht Magdeburg sprachen die beiden Tierschützer vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs frei. Nach Auffassung des Landgerichts sei die Tat durch Nothilfe (§ 32 StGB) und Notstand (§ 34 StGB) gerechtfertigt gewesen. Gegen diese Entscheidung legte die Staatsanwaltschaft Revision ein. Sie führte an, dass ein rechtfertigender Notstand nicht greife, weil Schweine gefährdet gewesen seien, deren Halter den Hausfriedenbruch der Tierschützer offensichtlich nicht gewollt habe.

Oberlandesgericht verneint ebenfalls Strafbarkeit wegen Hausfriedensbruchs Das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und wies daher die Revision der Staatsanwaltschaft zurück. Die beiden Tierschützer haben sich nicht wegen Hausfriedensbruch gemäß § 123 StGB strafbar gemacht. Da nach der zutreffenden Begründung des Landgerichts ein rechtfertigender Notstand nach § 34 StGB vorgelegen habe.

Wille des Tierhalters zum Hausfriedensbruch unerheblich Das Oberlandesgericht folgte nicht der Auffassung der Staatsanwaltschaft, wonach ein Vorgehen gegen die Misshandlung von Tieren nur dann wegen Notstands gerechtfertigt sei, wenn der Eigentümer der Tiere dies billige. Denn dies würde zu nicht nachvollziehbaren Ergebnissen führen. So dürfte etwa niemand die Scheibe eines in praller Hitze stehenden Autos einschlagen, in dem ein Hund zu ersticken droht, wenn der Tierhalter zugegen ist und das Aufschließen der Tür mit dem Hinweis verweigert, eine "kleine Abhärtung" werde dem Tier nicht schaden.

Keine Rechtfertigung wegen Nothilfe Eine Rechtfertigung wegen Nothilfe gemäß § 32 StGB komme nach Ansicht des Oberlandesgerichts jedoch nicht in Betracht. Denn die Tierschützer seien nicht in die Schweinezuchtanlage eingedrungen, um durch die Dokumentation der Tierschutzverstöße Gefahren von dem zum Zeitpunkt des Eindringens dort untergebrachten Tieren abwenden zu wollen. Denn die Tierschützer haben davon ausgehen müssen, dass die Tiere bis zum Abstellen der Verstöße geschlachtet werden würden.

Rechtfertigender Notstand nur bei Kenntnis der Verstöße und Weigerung der Behörden zum Einschreiten Das Oberlandesgericht stellte schließlich nochmal klar, dass eine Rechtfertigung wegen Notstands nur in Betracht komme, wenn den Eingreifenden die Tatsachen bekannt seien, welche diesen rechtfertigen. Dazu reiche die bloße Vermutung, es werde generell oder gerade in diesem Betrieb gegen Vorschiften verstoßen, nicht aus. Es sei unzulässig, in fremde Rechte einzugreifen, um zu überprüfen, ob Verstöße vorliegen. Ebenso wenig könne das staatliche Gewaltmonopol umgangen werden, wenn nicht feststehe, dass die Behörden sich im konkreten Fall weigern, ihre Aufgaben zu erfüllen.

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt
  • Entscheidungsart:Urteil
  • Datum:22.02.2018
  • Aktenzeichen:2 Rv 157/17

Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt, ra-online (vt/rb)