Schwangere Asylsuchende muss nicht wegen Corona-Ansteckungsgefahr in Aufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge wohnen

Das VG Münster hat in einem Eilverfahren entschieden, dass eine schwangere Asylsuchende wegen Corona-Ansteckungsgefahr nicht weiter in einer Aufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge wohnen muss.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Antragsteller wurden aufgrund ihres Asylantrags verpflichtet, in der Zentralen Unterbringungseinrichtung in Rheine zu wohnen. Sie befürchteten, bei einem weiteren Aufenthalt in der Aufnahmeeinrichtung mit dem Corona-Virus infiziert zu werden. Die Antragstellerin sei schwanger und müsse sich wiederholt in stationäre Behandlung begeben. In der Einrichtung sei ihnen aufgrund der beengten Wohnverhältnisse die Einhaltung des gebotenen Mindestabstands zwischen zwei Personen von 1,50 m nicht möglich. Sie müssten sich Sanitäranlagen mit anderen Bewohnern teilen. Auch stünden Reinigungsmittel nicht zur Verfügung. Daher sei ihre Verpflichtung, in der Einrichtung zu wohnen, zumindest vorübergehend zu beenden.
VG beendet Wohnverpflichtung in Flüchtlingsunterkunft für schwangere Asylsuchende
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die Beendigung der Wohnverpflichtung der Antragsteller nicht nur zur Seuchenprävention, sondern insbesondere zum Schutz der Antragsteller selbst vor Ansteckung mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 geboten. Die Corona-Schutzverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen in der ab dem 7. Mai 2020 gültigen Fassung enthalte für verschiedene Lebensbereiche Abstandsregeln von mindestens 1,50 m zwischen Personen sowie weitere Regelungen etwa zu Kontaktbeschränkungen und des Tragens von Mund-Nase-Bedeckungen. Dies zeige, dass der Verordnungsgeber eine Ausbreitung des Virus durch das Zusammentreffen von Menschen bei Zusammenkünften und in Einrichtungen aller Art als besonders wahrscheinlich ansehe. Es würde einen Wertungswiderspruch zu den Regelungen der Verordnung darstellen, wollte man den Bereich der Asylbewerberunterkünfte anders behandeln.
Bestehen eines ausreichenden Infektionsschutzes nicht überzeugend dargelegt
Nach den Angaben der Antragsteller, denen der Antragsgegner in der Sache nicht entgegengetreten sei, sei hier von unzureichenden Hygienezuständen auszugehen. Der Antragsgegner könne sich nicht darauf berufen, die Antragsteller seien gehalten, bei der für den Betrieb der Einrichtung verantwortlichen Stelle auf Abhilfe zu drängen. Vielmehr sei es insbesondere angesichts der allgemein bekannten Pandemielage Aufgabe des Antragsgegners, über die Zustände vor Ort Kenntnis zu haben und bei Defiziten für Abhilfe zu sorgen. Hier habe der Antragsgegner jedoch nicht überzeugend dargelegt, dass und welche Maßnahmen in der Einrichtung zur Gewährleistung eines ausreichenden Ansteckungsschutzes vor dem Corona Virus getroffen worden seien. Daher sei es entsprechend dem individuellen Interesse der Antragsteller, vor einer Ansteckung geschützt zu werden, geboten, ihre Wohnverpflichtung vorläufig zu beenden. Dies gelte umso mehr, da die Antragstellerin aufgrund ihrer weit fortgeschrittenen Schwangerschaft zu einer als besonders vulnerabel anzusehenden Personengruppe gehöre.

    Angaben zum Gericht:

    • Gericht:Verwaltungsgericht Münster
    • Entscheidungsart:Beschluss
    • Datum:07.05.2020
    • Aktenzeichen:6a L 365/20

    Verwaltungsgericht Münster, ra-online (pm/ab)