Kommt es zu einer Ankunftsverspätung oder Annullierung eines Fluges, weil das eingesetzte Flugzeug bei einem Vorflug am Vortag von einem außergewöhnlichen Umstand im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung (VO) betroffen ist, so kann dies zum Ausschluss der Entschädigungszahlung nach Art. 7 VO führen. Ein Fluglotsenstreik gilt als außergewöhnlicher Umstand. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Oktober 2017 erreichte ein Flug von Kos sein Ziel in Frankfurt a.M. mit einer erheblichen Verspätung, da das eingesetzte Flugzeug in Kos verspätet ankam. Hintergrund dessen war, dass das Flugzeug am Vortag für ein Flug von Frankfurt a.M. nach Teneriffa und zurück eingesetzt wurde und dieser Flug wegen eines Fluglotsenstreiks in Frankreich und des Nachtflugverbots in Frankfurt sich erheblich verspätete. Die Fluggesellschaft hatte noch erfolglos versucht mittels Sub-Charter die Verspätung zu vermeiden. Drei Fluggäste klagten schließlich gegen die Fluggesellschaft auf Zahlung einer Entschädigung.
Amtsgericht und Landgericht wiesen Klage ab
Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht Frankfurt a.M. wiesen die Klage ab. Ihrer Ansicht nach habe sich die Beklagte wegen des Fluglotsenstreiks auf einen außergewöhnlichen Umstand berufen dürfen, der zum Wegfalls des Entschädigungsanspruchs führe. Dagegen richtete sich die Revision der Kläger. Sie führten an, dass der Fluglotsenstreik bereits am Vortag stattgefunden hatte und den Flug der Kläger daher nicht unmittelbar betroffen habe.
Bundesgerichtshof verneint ebenfalls Anspruch auf Entschädigung
Der Bundesgerichtshof bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz. Ein Anspruch auf Entschädigung gemäß Art. 7 VO wegen der Ankunftsverspätung bestehe nicht. Der Fluglotsenstreik habe einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne von Art. 5 Abs. 3 VO dargestellt. Dieser Umstand habe auch die eingetretene Verspätung verursacht.
Eintritt des außergewöhnlichen Umstands am Vortag unerheblich
Der Ursachenzusammenhang sei auch nicht deshalb zu verneinen, so der Bundesgerichtshof, weil der außergewöhnliche Umstand nicht während des von den Klägern gebuchten Flugs oder unmittelbar davor aufgetreten ist. Diese Voraussetzung lasse sich weder nach dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck der Vorschrift rechtfertigen. Erforderlich sei nur, dass zwischen dem außergewöhnlichen Umstand und der Verspätung oder Annullierung des späteren Flugs ein enger zeitlicher und inhaltlicher Zusammenhang bestehen muss. Dies sei hier zu bejahen.
Enger Zusammenhang zwischen außergewöhnlichen Umstand und Verspätung
Zwar habe nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ein ausreichend großer Zeitraum gelegen, um das für die Durchführung des Flugs eingeplante Flugzeug von Teneriffa nach Frankfurt und von dort aus nach Kos zu bringen. Indessen habe ein großer Teil dieses Zeitraums aufgrund des Nachtflugverbots in Frankfurt nicht für Flugbewegungen zur Verfügung gestanden und ein weiterer Teil des Zeitraums sei für die Durchführung des Vorflugs benötigt worden.
- Eine weitere Entscheidung zu diesem Thema:
- Kein Ausgleichsanspruch wegen Flugverspätung aufgrund Notlandung des Vorflugs wegen plötzlichen Brands einer Powerbank ( Amtsgericht Berlin-Charlottenburg Urteil[Aktenzeichen: 205 C 85/16] )
- Außergewöhnlicher Umstand am Vortag kann grundsätzlich keine Flugverspätungen oder Flugannullierungen am nachfolgenden Tag entschuldigen ( Amtsgericht Königs WusterhausenUrteil[Aktenzeichen: 4 C 1942/15] )
- Vorinstanz:
- Amtsgericht Frankfurt am MainUrteil[Aktenzeichen: 31 C 1907/18 (10)]
- Landgericht Frankfurt am MainUrteil[Aktenzeichen: 2-24 S 158/19]
Angaben zum Gericht:
- Gericht:Bundesgerichtshof
- Entscheidungsart:Urteil
- Datum:06.04.2021
- Aktenzeichen:X ZR 11/20