BGH: Bei Vertrag zur Übertragung einer Immobilie mit Pflegevereinbarung unter Geschwistern ist dauerhaftes, gegenseitiges Vertrauen Geschäftsgrundlage

Schließen Geschwister einen Vertrag zur Übertragung der Immobilie mit Pflegevereinbarung ab, so ist das dauerhafte, gegenseitige Vertrauen im Zweifel Geschäftsgrundlage des Vertrags. Ist die Geschwisterbeziehung heillos zerrüttet, führt dies zum Wegfall der Geschäftsgrundlage, was wiederum die Rückübertragung des Eigentums nach sich ziehen kann. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Nachdem der Eigentümer eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2013 einen schweren Herzinfarkt erlitten hatte, übertrug er die Immobilie auf seine Schwester. Als Gegenleistung erhielt er ein Wohnrecht an bestimmten Räumen im Wohnhaus. Zudem sollte die Schwester ihn lebenslang pflegen und betreuen. Nachfolgend kam es zu Streitigkeiten zwischen den Geschwistern, die im Jahr 2014 dazu führten, dass der ehemalige Grundstückseigentümer es für unzumutbar hielt, weiterhin von seiner Schwester gepflegt zu werden. Er klagte daher auf Rückübertragung der Immobilie. Sowohl das Landgericht Hagen als auch das Oberlandesgericht Hamm wiesen die Klage ab. Dagegen richtete sich die Revision des Klägers.

Mögliche Rückübertragung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage Der Bundesgerichtshof führte zum Fall aus, dass bei einem Übertragungsvertrag mit Pflegevereinbarung unter Geschwistern die dauerhafte, von gegenseitigem Vertrauen der Parteien getragene Beziehung im Zweifel Geschäftsgrundlage des Vertrags sei. Ist das Verhältnis zwischen den Geschwistern heillos zerrüttet, führe dies zum Wegfall der Geschäftsgrundlage, es sei denn, es wurde vertraglich etwas anderes geregelt. Ist die Geschäftsgrundlage weggefallen, könne der Übertragende die Rechte aus § 313 BGB geltend machen.

Vor Rückübertragung ist Möglichkeit der Vertragsanpassung zu prüfen Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs sei vor einer Rückübertragung der Immobilie zu prüfen, ob die Sachlage nicht durch eine Vertragsanpassung geklärt werden könne. Dies könne zum Beispiel durch eine Geldzahlung der Beklagten in Betracht kommen, entweder in Form einer Rentenzahlung oder eines Kapitalbetrags, was die Zahlung eines nachträglichen Kaufpreises bedeuten würde. Erst wenn eine Vertragsanpassung in Form einer Geldzahlung nicht möglich oder zumutbar ist, bestehe ein Anspruch auf Rückübertragung der Immobilie.

Kein Anspruch auf Vertragsanpassung oder Rückübertragung bei alleinigem Verschulden der Zerrüttung Ein Anspruch auf Vertragsanpassung oder Rückübertragung der Immobilie bestehe nicht, so der Bundesgerichtshof, wenn der Kläger die Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses allein zu verschulden hat. Es sei daher unerheblich, welche Partei welchen Anteil an dem Zerwürfnis trage. Es genüge somit nicht, dass der Kläger überhaupt zu dem Zerwürfnis beigetragen hat oder er in stärkerem Maße dafür verantwortlich ist. Denn typischerweise tragen beide Vertragsparteien mit ihrem Verhalten zu der Zerrüttung bei. Zudem könne ein eindeutiger Schwerpunkt der Verursachung auch durch eine Beweisaufnahme regelmäßig nicht bestimmt werden.

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Bundesgerichtshof
  • Entscheidungsart:Urteil
  • Datum:09.07.2021
  • Aktenzeichen:V ZR 30/20

Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)