Sind die Preise in einem Ladengeschäft deutlich höher als vergleichbare Angebote im Online-Handel, so begründet dies nicht zwingend eine Sittenwidrigkeit. Der Internethandel stellt einen Sondermarkt dar, der mit dem allgemeinen regionalen Markt nicht vergleichbar ist. Dies hat das Amtsgericht Erfurt entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Dezember 2020 begab sich eine Frau zwecks Kaufs einer Perücke in ein entsprechendes Ladengeschäft in der Erfurter Innenstadt. Im Rahmen einer anderthalbstündigen Beratung wurden ihr mehrere verschiedene Katalogmodelle vorgestellt. Die Kundin entschied sich für ein paar und bestellte diese ohne Kaufverpflichtung zur Ansicht. Anfang Januar 2021 kam es im Rahmen eines über fünfstündigen Termins zur Anprobe. Schließlich kaufte die Kundin eine Perücke zum Preis von über 4.000 €. Nachfolgend stellte die Kundin fest, dass im Internet das Perücken-Modell zu Preisen zwischen 1.200 und 2.000 € angeboten wurde. Sie warf der Verkäuferin daher Wucher vor, hielt den Kaufvertrag für sittenwidrig und klagte auf Rückzahlung des Kaufpreises.
Kein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises
Das Amtsgericht Erfurt entschied gegen die Klägerin. Ihr stehe kein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises zu. Denn der Kaufvertrag sei nicht gemäß § 138 BGB sittenwidrig. Ein auffälliges bzw. grobes Missverhältnis zwischen dem Wert der Leistung und der Gegenleistung sei nicht gegeben.
Keine Vergleichbarkeit von Internethandel mit allgemeinen regionalen Markt
Nach Auffassung des Amtsgerichts müsse deutlich zwischen Online-Handel einerseits und stationärem Handel andererseits im Hinblick auf die Geschäftsmodelle und die dadurch kalkulierbaren bzw. erzielbaren Preise unterschieden werden. Ein Ladengeschäft habe deutlich höhere Fixkosten, insbesondere für Ladenmiete, Personal und Energie. Aufgrund dessen müsse es einem Kunden zwangsläufig bewusst sein, dass es im stationären Handel regelmäßig einen nicht zu vernachlässigenden preislichen Aufschlag gibt. Der Internethandel stelle ein Sondermarkt dar, der mit dem allgemeinen regionalen Markt nicht vergleichbar sei.
Erbrachte Leistung nicht vergleichbar mit Online-Angebote
Zudem wies das Amtsgericht darauf hin, dass die erbrachte Leistung der Beklagten nicht vergleichbar mit den Online-Angeboten sei. Das Rechtsgeschäfts habe sich nicht in dem bloßen Verkauf der Perücke erschöpft. Vielmehr habe die Beklagte in erheblichem Umfang Beratungs- und Zusatzleistungen erbracht. Sie habe die Perücke individuell gekürzt, frisiert und auf die besonderen Wünsche der Klägerin hin gestylt.
Angaben zum Gericht:
- Gericht:Amtsgericht Erfurt
- Entscheidungsart:Urteil
- Datum:17.08.2022
- Aktenzeichen:5 C 522/21