Trotz Vorliegen einer Notwehrlage besteht kein Anspruch auf Opferentschädigung bei leichtfertiger Selbstgefährdung

Bei Vorliegen einer leichtfertigen Selbstgefährdung besteht gemäß § 2 Abs. 1 OEG kein Anspruch auf eine Opferentschädigung. Dabei ist unerheblich, ob ein Notwehrrecht besteht. Wer alleine bei Nacht die geschützte Wohnung verlässt, um sich einem aggressiven und bewaffneten Mann entgegenzustellen, handelt leichtfertig. Dies hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg entschieden.

In dem zugrunde liegenden Fall klagte im Jahr 2022 eine 53-jährige Frau vor dem Sozialgericht Karlsruhe auf Zahlung einer Opferentschädigung. Hintergrund dessen war ein Vorfall in einer Nacht im Juli 2019. Die Klägerin befand sich in ihrer Erdgeschosswohnung als sie draußen auf der Terrasse Geräusche wahrnahm. Sie öffnete daraufhin die Rollläden und sah einen Mann. Sie öffnete die Terrassentür und fragte dem Mann, was er auf der Terrasse zu suchen habe. Sie bemerkte dabei, dass der Mann wohl betrunken war und einen großen Schraubenzieher in der Hand hielt. Der Mann antwortete etwas wütend in fremder Sprache und fing an, mit dem Schraubenzieher wild in einem Blumentopf hineinzustechen. Die Klägerin bekam dadurch Angst und schloss die Terrassentür wieder. Da der Mann nachfolgend anfing mit dem Schraubenzieher auf das Fenster einzustechen und die Klägerin befürchtete, das Glas könne zerbrechen, bewaffnete sie sich mit einem Besenstiel und trat wieder auf die Terrasse. Es kam nachfolgend zu einer Auseinandersetzung, bei der die Klägerin durch den Schraubenzieher und eine Wodkaflasche verletzt wurde. Die Klägerin litt seit dem Vorfall an einer posttraumatischen Belastungsstörung.

Sozialgericht wies Klage ab Das Sozialgericht Karlsruhe warf der Klägerin ein grob vernunftwidriges Verhalten vor und wies die Klage ab. Dagegen richtete sich die Berufung der Klägerin.

Landessozialgericht verneint ebenfalls Anspruch auf Opferentschädigung Das Landessozialgericht Baden-Württemberg bestätigte die Entscheidung des Sozialgerichts. Der Klägerin stehe kein Anspruch auf Opferentschädigung zu. Denn sie habe leichtfertig sich selbst gefährdet, was gemäß § 2 Abs. 1 OEG zum Ausschluss des Anspruchs führe. Dem stehe nicht entgegen, dass eventuell eine Notwehrlage vorgelegen habe. Denn das Notwehrrecht und die Leistungsversagung aufgrund leichtfertiger Selbstgefährdung haben verschiedene Intentionen. Allein weil ein Handeln in Notwehr erfolgte, werden keine Ansprüche auf Opferentschädigung begründet.

Vorliegen einer leichtfertigen Selbstgefährdung Die Klägerin habe leichtfertig sich selbst gefährdet, so das Landessozialgericht, als sie ohne Not die geschützte Wohnung verließ. Es sei für die Klägerin erkennbar gewesen, dass der Mann aggressiv und mit einem Schraubenzieher bewaffnet war. Anstatt sich zu sichern, nämlich die Rollläden wieder herunter zu lassen, und Hilfe zu holen, habe sie sich dem Mann entgegengestellt und damit in hohem Maße vernunftwidrig gehandelt.

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Landessozialgericht Baden-Württemberg
  • Entscheidungsart:Urteil
  • Datum:14.09.2023
  • Aktenzeichen:L 6 VG 2379/22

Landessozialgericht Baden-Württemberg, ra-online (vt/rb)