Das Verwaltungsgericht (VG) Wiesbaden hat über mehrere Eilanträge der AfD entschieden und beschlossen, dass die Einstufung des hessischen Landesverbands der AfD als „Verdachtsfall“ und Beobachtung durch Verfassungsschutz rechtmäßig, aber die Mitteilung über die Einstufung als "Verdachtsfall" voraussichtlich rechtswidrig ist
Das LfV stufte die AfD als Verdachtsfall ein und beabsichtigt, diese mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu beobachten. Diesbezüglich veröffentlichte das LfV unter anderem auf seiner Homepage anlässlich der Vorstellung des hessischen Verfassungsschutzberichtes 2021 eine Pressemitteilung. Der damalige Präsident des LfV äußerte sich dazu auch in der Hessenschau. Die AfD begehrt im Wege des Eilrechtsschutzes insbesondere die Unterlassung der Beobachtung und Löschung bzw. Unterlassung der Bekanntgabe sowie die öffentliche Richtigstellung der Berichterstattung.
AfD bewegt sich "außerhalb der Meinungsfreiheit"
Das VG gab dem Eilantrag teilweise statt und lehnte ihn im Übrigen ab. Die AfD habe keinen Anspruch auf Unterlassung der Beobachtung bzw. auf Unterlassung der Behandlung, Einordnung oder Führung als „Verdachtsfall“. Diese Maßnahmen seien nach den im Eilverfahren zugrunde zu legenden Maßstäben rechtmäßig. Es lägen ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte über Bestrebungen des hessischen Landesverbands der AfD vor, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung in Ausgestaltung der Garantie der Menschenwürde und des Demokratieprinzips gerichtet seien. Es lägen Verhaltensweisen der hessischen AfD vor, die insbesondere in Verbindung mit erniedrigenden Bezeichnungen oder unangemessenen und unhaltbaren Vergleichen den Zweck verfolgten, beim Zuhörer Hass oder Neidgefühl hervorzurufen. Diese Verhaltensweisen seien generell geeignet, den Boden für unfriedliche Verhaltensweisen gegenüber den Betroffenen, insbesondere Flüchtlingen und Muslimen, zu bereiten. Auch bewege sich die AfD außerhalb der verfassungsmäßig geschützten Meinungsfreiheit und einer – auch zulässigerweise mit überspitzten Mitteln arbeitenden – politischen Opposition. Ihr Verhalten verdichte sich zu gehäuft auftretenden Beschimpfungen, Verdächtigungen und Verleumdungen, gerichtet gegen die Organe der Bundesrepublik und ihrer Repräsentanten mit der Tendenz, das Vertrauen der Bevölkerung in diese von Grund auf zu erschüttern und damit zugleich die freiheitliche demokratische Grundordnung als Ganzes
fragwürdig erscheinen zu lassen. Zudem komme der pauschalen Absprache der
Existenzberechtigung eines jeden politischen Gegners ein mit dem grundgesetzlichen Demokratieverständnis unvereinbarer Anspruch auf Alleinrepräsentanz zum Ausdruck.
Öffentlichkeit darf mangels gesetzlicher Grundlage nicht informiert werden
Soweit das LfV die Beobachtung des hessischen Landesverbands der AfD der Öffentlichkeit bekannt gegeben habe, sei diese Maßnahme jedoch nach den im Eilverfahren anzulegenden Maßstäben rechtswidrig. Eine öffentliche Mitteilung, die AfD werde, weil es Hinweise auf verfassungsfeindliche Betätigungen gäbe, nun beobachtet, bedürfe angesichts der Auswirkungen auf das Recht der AfD, gleichberechtigt am Prozess der Meinungs- und Willensbildung des Volkes teilzunehmen, einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Im Unterschied zum Verfassungsschutzgesetz des Bundes sowie anderer Bundesländer sehe das Hessische Verfassungsschutzgesetz keine solche gesetzliche Grundlage für die so vorgenommene Information der Öffentlichkeit vor. Aus diesem Grunde sei das LfV auch dazu verpflichtet, eine Pressemitteilung zu veröffentlichen, wonach es vorläufig zu unterlassen habe, bekanntzugeben, dass die AfD als Beobachtungsobjekt oder als Verdachtsfall geführt werde.
Angaben zum Gericht:
- Gericht:Verwaltungsgericht Wiesbaden
- Entscheidungsart:Beschluss
- Datum:14.11.2023
- Aktenzeichen:6 L 1174/22.WIund 6 L 1166/22.WI