Impfärzte haften nicht für etwaige Impfschäden

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat eine Schadensersatzklage gegen eine Impfärztin nach einer Corona-Schutzimpfung abgewiesen. Impfärzte handelten im Rahmen der nationalen Corona-Impfkampagne hoheitlich. Bei etwaigen Aufklärungsfehlern kommen daher nur Staatshaftungsansprüche gegen den Staat in Betracht, nicht aber Schadenersatzansprüche eines Impfgeschädigten gegen die Ärzte persönlich.

Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin von ihrer Impfärztin Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 50.000,00 Euro und Schadensersatz wegen eines behaupteten Impfschadens nach einer Corona-Schutzimpfung mit dem Impfstoff des Unternehmens BioNTech/Pfizer (Comirnaty). Im Januar und Februar 2021 wurden der Klägerin in einer Heilbronner Pflegeeinrichtung, in der sie als Auszubildende beschäftigt war, zwei Impfungen verabreicht. Die Impfungen erfolgten im Rahmen einer Impfaktion und wurden von einem mobilen Impfteam durchgeführt, das an ein Impfzentrum angegliedert war. Vor den Impfungen war der Klägerin jeweils ein vom Deutschen Grünen Kreuz in Kooperation mit dem Robert-Koch-Institut (RKI) erstelltes Aufklärungsmerkblatt zur Schutzimpfung gegen COVID-19 mit mRNA-Impfstoff“ mit dazugehörigem Anamnesebogen ausgehändigt worden. Das Merkblatt wurde von der Klägerin vor der jeweiligen Impfung gelesen und ausgefüllt. Ein ärztliches Aufklärungsgespräch fand in der Folge nicht statt. Unmittelbar im Anschluss an die zweite Impfung wurde bei der Klägerin eine geringgradige halbseitige Lähmung links mit geringer Gangunsicherheit diagnostiziert und der Verdacht auf eine Impfreaktion bescheinigt. Die Klägerin behauptet, infolge des erlittenen Impfschadens dauerhaft arbeitsunfähig zu sein. Durch die beklagte Impfärztin sei sie nicht ausreichend über die Risiken der Impfung aufgeklärt worden. Bei einer zureichenden Aufklärung hätte sie sich aber schon gar nicht impfen lassen, weshalb die Ärztin ihr den aus der Impfung entstandenen Schaden zu ersetzen und außerdem Schmerzensgeld zu leisten habe. Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die Corona-Schutzimpfung seien die vom BGH für Routineimpfungen entwickelten Grundsätze entsprechend anzuwenden, da es sich um eine von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlene und millionenfach durchgeführte Impfung gehandelt habe. Danach sei die Aushändigung eines Aufklärungsmerkblattes dann ausreichend, wenn dem Patienten vor der Impfung zumindest die Möglichkeit gegeben werde, weitere Fragen an den impfenden Arzt zu richten. Ein ausführliches ärztliches Aufklärungsgespräch sei dagegen nicht erforderlich.
Verimpfen von Corona-Impfstoffen ist hoheitliche Tätigkeit
Das OLG hat die landgerichtliche Entscheidung im Ergebnis bestätigt und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Zu der Frage, ob die Klägerin ausreichend aufgeklärt worden war, hat sich der Senat – anders als das LG – hingegen nicht verhalten. Denn der Senat hat die Klage bereits mangels Passivlegitimation der beklagten Impfärztin abgewiesen, da die Impfärztin schon nicht die zutreffende Anspruchsgegnerin etwaiger Ansprüche ist. Das Verimpfen von Corona-Impfstoffen im Rahmen der nationalen Impfstrategie durch hierzu Beauftragte ist nach dem Urteil des OLG als hoheitliche Tätigkeit zu qualifizieren. Denn sowohl die Bundes- als auch die Landesregierung haben die Bevölkerung im Rahmen einer breit angelegten Impfkampagne der STIKO-Empfehlung des RKI folgend aufgefordert, sich zum eigenen Schutz sowie zum Schutze der Allgemeinheit gegen Corona impfen zu lassen. Mit § 20i Abs. 3 Satz 2 Nr. 1a) Sozialgesetzbuch V in der ab dem 19.11.2020 gültigen Fassung und der Coronavirus-Impfverordnung (CoronaImpfV) vom 18.12.2020 wurde außerdem ein Rechtsanspruch auf die Corona-Schutzimpfung geschaffen. Zur Erfüllung dieses gesetzlichen Anspruchs und flächendeckenden Pandemiebekämpfung durch die staatlich geförderte Impfkampagne sind zunächst „von den Ländern oder im Auftrag der Länder“ Impfzentren eingerichtet und mobile Impfteams gebildet worden (§ 6 Abs. 1 CoronaImpfV in der Ursprungsfassung). Später hätten auch beauftragte niedergelassene Ärzte den Impfanspruch erfüllen können. Würden Privatpersonen – wie hier die Impfärzte – hoheitlich tätig, hafte gegenüber etwaig Geschädigten aber nur der Staat.

    Angaben zum Gericht:

    • Gericht:Oberlandesgericht Stuttgart
    • Entscheidungsart:Urteil
    • Datum:25.06.2024
    • Aktenzeichen:1 U 34/23

    Oberlandesgericht Stuttgart, ra-online (pm/ab)